Was ist die Betriebsgefahr?
Die sogenannte Betriebsgefahr bezeichnet die Gefährdungshaftung, die verschuldungsunabhängig für solche Gefahren besteht, die im Betrieb von Kraftfahrzeugen, also z.B. PKW oder LKW, ausgehen. Wie der BGH urteilt (26.02.2013, Az. VI ZR 116/12), ist sie „der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeugs erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird.“
Der Gesetzgeber geht also davon aus, dass von jedem Teilnehmer im Straßenverkehr eine abstrakte Gefahr ausgeht, die sogenannten Betriebsgefahr. Damit ist grundsätzlich nur gemeint, dass sowohl Fahrer als auch Halter für für die Gefahren haften, die sich aus dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges für andere ergeben.
Wie hoch diese (Betriebs-) Gefahr ist, hängt vom jeweiligen Fahrzeug ab. So geht von einem Tanktransporter beispielsweise eine höhere Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer aus, als von einem Smart. Ähnliches gilt bei einem Wohnmobil.
Relevante Kriterien für die Betriebsgefahr sind dabei:
- Fahrzeuggewicht
Das Fahrzeuggewicht hat eine große Bedeutung für die Betriebsgefahr. Denn je schwerer das Fahrzeug, desto länger benötigt es zum bremsen. Dementsprechend ist auch von einer erhöhten Betriebsgefahr auszugehen. - Fahrzeuggröße
Grundsätzlich kann man sagen, die Fahrzeuggröße beeinflusst ebenfalls massiv die Betriebsgefahr. Denn abstehende Teile eines Fahrzeugs oder auch besondere Formen erzeugen auch besondere Gefahren für andere Teilnehmer im Verkehr. Das Oberlandesgericht Hamm befand zum Beispiel, dass die kastenförmige Bauweise und Frontbügel eines Geländewagens das Verletzungsrisiko bei Kollisionen mit Personen erhöht. Dementsprechend sei dort auch eine höhere Betriebsgefahr gegeben, so die Richter. - Fahrzeugbeschaffenheit
Auch die Fahrzeugbeschaffenheit spielt für die Betriebsgefahr eine große Rolle. Inwiefern sich die Betriebshaftung eines normalen PKW von der eines Elektrofahrzeuges unterscheidet erfahren Sie hier.
Das Prinzip der Betriebsgefahr findet man auch in anderen Bereichen, z.B. auch bei Haustieren, insbesondere aber im Straßenverkehr.
Geht auch von einem Motorrad eine erhöhte Betriebsgefahr aus?
Von einem Motorrad geht grundsätzlich keine erhöhte Betriebsgefahr aus, es sei denn, die grundsätzlich höhere Instabilität des zweirädrigen Gefährts ist nachweislich mitursächlich für das Unfallgeschehen geworden (BGH, Urteil v 01.12.2009, VI ZR 221/08).
Was versteht man unter der Gefährdungshaftung?
Mit einer Gefährdungshaftung ist gemeint, dass man für eine Tatsache haftet, ob man Schuld an dieser hatte oder nicht. Man haftet für die bloße Tatsache, dass sich das dem Fahrzeug anhaftende Risiko realisiert hat.
So ist die Betriebsgefahr ein Beispiel für eine Gefährdungshaftung. Hier haftet man für die Schäden, die sich aus der Gefahr ergeben, dass ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr betrieben wird.
Hintergrund einer Gefährdungshaftung wie der Betriebsgefahr ist der Schutzgedanke gegenüber Schwächeren. Denn wer sein Fahrzeug durch die Anmeldung in den Verkehr bringt, der erzeugt automatisch auch die Gefahr eines Verkehrsunfalls.
Was bedeutet das für mich als Autofahrer?
Ein im Straßenverkehr bewegtes Fahrzeug stellt auch ohne, dass es zu einer konkreten Gefahrensituation oder zu einem Fehlverhalten von Ihnen als Fahrzeugführer kam, eine abstrakte Gefahr da. Deshalb genügt die Tatsache, dass das Fahrzeug bewegt wird dazu, eine Haftung von Ihnen als Fahrer bzw. Fahrzeughalter zu begründen. Ausgeschlossen ist eine solche Haftung aufgrund der Betriebsgefahr nach § 7 Abs. 2 StVG nur dann, wenn höhere Gewalt dies rechtfertigt.
Kann ich also nur durch die erhöhte Betriebsgefahr eines Fahrzeugs einen Teil der Schäden bei einem Verkehrsunfall zu tragen haben?
Ja. Die Betriebsgefahr ist eine verschuldensunabhängige Haftung. Dies bedeutet, selbst wenn ein Unfallbeteiligter gar nicht ursächlich für den Zusammenstoß war, kann unter Umständen aufgrund der Betriebsgefahr trotzdem ein Abzug bei der Haftungsquote entstehen. In der Regel beträgt diese Mithaftung zwischen 20 und 30 Prozent der Schadenssumme. Dies hat aber auch zur Folge, dass man als Geschädigter eventuell nicht den vollen Schaden geltend machen kann. Denn von einem selbst geht noch immer die eigene Betriebsgefahr aus.
Wie sieht das in einem konkreten Beispielfall aus?
Urteil vom OLG Celle (12.05.2021, Az.: 14 U 189/20): Die Beklagte haftet überwiegend für den Schaden, der durch einen Brand des Fahrzeugs entstanden ist. Obwohl das Fahrzeug bereits zwei Stunden, bevor es in Brand geriet, abgestellt wurde, ist der Schaden nach Ansicht des Gerichts auf den vorangegangenen Betrieb zurückzuführen. In der Urteilsbegründung heißt es: „Dass sich dieser Schaden erst nach einer zweistündigen Verzögerung durch den Brand realisiert hat, ändert nichts daran, dass die einmal geschaffene Gefahrenlage durch den Betrieb des Fahrzeugs nachgewirkt hat.“
Die Betriebsgefahr dauert etwa auch bei einem Verkehrsunfall an. Beschädigt ein Verkehrsteilnehmer ein Verkehrsschild, ist er bis zur Unfallaufnahme durch die Polizei zur Verkehrssicherung verpflichtet. Bis zu diesem Zeitpunkt dauert auch die von seinem Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr an. Mit der Unfallaufnahme durch die Polizei darf der Verkehrsteilnehmer aber davon ausgehen, dass die notwendigen Maßnahmen veranlasst werden, so dass der innere Zusammenhang mit der Betriebsgefahr nicht mehr gegeben ist und eine weitere Verkehrssicherungspflicht entfällt (LG Dortmund, Urteil vom 22.03.2007 – 4 S 134/06 -, in: NZV 2007, 571)
Mit einem Auto haftet man also immer zu einem gewissen Teil mit?
Nein. Ausgeschlossen ist eine solche Haftung aufgrund der Betriebsgefahr nach § 7 Abs. 2 StVG zum einen dann, wenn ein unabwendbares Ereignis vorliegt. Die Rechtsprechung benutzt hier immer den Begriff des „idealen Fahrers“.
Kann nachgewiesen werden, dass der Unfall ein „unabwendbares Ereignis“ für einen Beteiligten war, so realisiert sich die Betriebsgefahr nicht. Es wird geprüft, wie sich der sogenannte Idealfahrer, also derjenige, der alle Verkehrsregeln beachtet und alles richtig macht, in der konkreten Situation verhalten hätte. Wäre auch dieser auf gleiche Weise in den Unfall verwickelt worden, so kann keine Betriebsgefahr eingewandt werden. Auch hierzu ein Beispiel: Die Gegenseite fuhr auf öffentlich zugänglichem Parkplatz rückwärts (wollte einparken).
Die Mandantschaft stand im Zeitpunkt der Kollision (nachgewiesen durch Zeugenaussage + SV-Gutachten). Hier wird nun zunächst geprüft, ob ein idealer Fahrer den Unfall hätte vermeiden können, etwa durch eine schnelle Reaktion (z.B. schnelles rückwärts wegfahren, früheres Hupen o.ä.). Fährt also wie im vorliegenden Fall ein rückwärts ausparkendes Auto auf ein a) hupendes, b) stehendes Auto auf, muss sich der Halter dieses Fahrzeugs laut Amtsgericht Würzburg keine Betriebsgefahr zurechnen lassen. Denn der Verkshrsverstoß des rückwärts fahrenden Fahrzeugs wiegt so schwer, dass die Betriebsgefahr demgegenüber zurücktritt.
Der Fahrer des stehenden Autos muss dies allerdings vortragen und ggf. auch beweisen, sonst bleibt es bei der Betriebsgefahr. Denn wie eigentlich immer muss jede Prozesspartei die für sie günstigen Umstände darlegen und beweisen. Es hängt also schlussendlich von den Umständen des Einzelfalles ab, wer kann was beweisen und werden die eigenen Punkte handwerklich sauber dem Gericht gegenüber vorgetragen.
Es gibt noch weitere Möglichkeiten, wo eine Betriebsgefahr ausscheidet: Sofern der Schädiger beim Unfall die im Verkehr erforderliche Sorgfaltspflicht im besonderen Maße außer Acht lässt, kann ein Mitverschulden nicht herangezogen werden, sodass die Haftung aus Betriebsgefahr ausgeschlossen ist. Dabei muss es aber zu einem groben Verkehrsverstoß kommen, also ganz besonders starkes Verschulden des Unfallverursachers gegeben sein.
Wir hoffen, dass wir Ihnen mit diesem Beitrag weiterhelfen konnten. Falls wir diesen noch ergänzen sollten, schreiben Sie uns gerne Ihre noch offenen Fragen hierzu.