Insolvenzanfechtung: Was tun bei einem Schreiben vom Insolvenzverwalter?
Die Insolvenzanfechtung ist ein scharfes Schwert des Insolvenzverwalters. Unternehmen sind besonders betroffen, wenn sie regelmäßig mit wirtschaftlich angeschlagenen Geschäftspartnern zu tun haben. Ein Schreiben vom Insolvenzverwalter ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer berechtigten Forderung auf Rückzahlung. Mit guter Vorbereitung, rechtlicher Unterstützung und sauber dokumentierten Geschäftsbeziehungen können viele Risiken bereits im Vorfeld vermieden oder abgewehrt werden.
In diesem Beitrag erklären wir, was eine Insolvenzanfechtung ist, welche Arten es gibt (z. B. die Vorsatzanfechtung), wie man sich vor ihr schützen kann und wie Sie bei einem Anfechtungsschreiben richtig reagieren.
Was ist das Ziel der Insolvenzanfechtung?
Ziel der Insolvenzanfechtung ist es, vor der Insolvenz getätigte Zahlungen oder Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen. Der Insolvenzverwalter prüft, ob bestimmte Leistungen dazu geführt haben, dass einzelne Gläubiger bevorzugt auf Kosten der übrigen Gläubiger befriedigt wurden. Die zurückgeholten Beträge oder Vermögensgegenstände fließen in die Insolvenzmasse und werden gleichmäßig an die Gläubiger des Insolvenzverfahrens verteilt.
Was kann durch den Insolvenzverwalter zurückgefordert werden?
Der Insolvenzverwalter kann verschiedene Leistungen anfechten. Hierzu zählen unter anderem:
• Zahlungen oder Übertragungen von Vermögenswerten
• Übertragungen von Eigentum oder Rechten
• Rückzahlungen von Darlehen
• Gewährte Sicherheiten
Entscheidend ist, ob der Schuldner durch die Leistung Vermögen verloren hat und andere Gläubiger dadurch benachteiligt wurden.
Wie lange kann eine Insolvenzanfechtung erfolgen?
Die Frist hängt von der Art der Anfechtung ab:
• Kongruente Deckung (§ 130 InsO): bis zu 3 Monate vor Antragstellung
• Inkongruente Deckung (§ 131 InsO): bis zu 3 Monate vor Antragstellung
• Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO): bis zu 10 Jahre
• Unentgeltliche Leistungen (§ 134 InsO): bis zu 4 Jahre
• Sonstige Anfechtungstatbestände (§§ 135–137 InsO): bis zu 10 Jahre
Die Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO ist besonders weitreichend und für den Insolvenzverwalter besonders praxisrelevant. Rechtshandlungen können hier bis zu vier, in manchen Ausnahmefällen sogar bis zu zehn Jahre rückwirkend angefochten werden. Je nach Art und Dauer der Geschäftsbeziehung kann es so zu erheblichen Rückforderungen kommen.
Welche Arten der Insolvenzanfechtung gibt es?
- Kongruente Deckung
Die Anfechtung nach § 130 InsO erfasst Rechtshandlungen, die einem Gläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, welche dieser auch beanspruchen konnte. Beispiel: Eine offene Rechnung wird fristgerecht beglichen. Entscheidend für die Anfechtung ist allerdings, dass der Insolvenzverwalter nachweist, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Rechtshandlung bereits zahlungsunfähig war und der Gläubiger hiervon Kenntnis hatte. - Inkongruente Deckung
Hier geht es um Zahlungen oder die Gewährung von Sicherheiten, die gerade nicht so vereinbart waren – etwa weil der Gläubiger unter dem Druck der Zwangsvollstreckung eine vorzeitige Leistung erzwingt. - Vorsatzanfechtung
Diese Form ist der häufigste Grund für Rückzahlungsforderungen durch den Insolvenzverwalter.
Nach § 133 können sämtliche Rechtshandlungen angefochten werden, die in den letzten zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag stattfanden, sofern der Schuldner mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelte und der Gläubiger wusste, dass der Schuldner seine Zahlungspflichten auch in Zukunft nicht mehr erfüllen kann und dadurch andere Gläubiger benachteiligt wurden.
Für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes und der Kenntnis des Gläubigers kann der Insolvenzverwalter u. a. auf verschiedene durch die Rechtsprechung anerkannte Beweisanzeichen zurückgreifen. Beispielsweise kann durch wiederholte erfolglose Mahnungen, die Häufung von Vollstreckungsmaßnahmen oder eine Vielzahl von Rücklastschriften auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und eine Kenntnis des Gläubigers hiervon geschlossen werden. - Unentgeltliche Leistungen
Leistungen des Schuldners, welche ohne objektiv ausgleichenden Gegenwert erbracht wurden, können innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Insolvenzantrag ebenfalls gemäß § 134 InsO anfechtbar sein. Daher ist Vorsicht bei Geschenken, Gefälligkeiten oder Schuldenerlassen geboten. - Sonstige Anfechtungstatbestände
Anfechtbar sind nach § 135 Abs. 1 InsO auch Darlehensrückzahlungen oder vergleichbare Leistungen an Gesellschafter des Schuldners, wenn diese im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag erfolgten.
Auch wenn sich ein Gesellschafter für eine Darlehensrückzahlung der Schuldnerin verbürgt hat und die Insolvenzschuldnerin den Darlehensgeber später selbst befriedigt, kann sich hieraus eine Rückzahlungsverpflichtung des sich verbürgenden Gesellschafters ergeben, vgl. § 135 Abs. 2 InsO.
Die weiteren Vorschriften der §§ 136, 137 InsO besitzen kaum praktische Relevanz.
Wie kann ich mich als Unternehmen vor einer Insolvenzanfechtung schützen?
Bleiben Zahlungen regelmäßig aus oder werden nur unter Druck geleistet? Dann ist Vorsicht geboten. Den Zahlungsdruck sollten Sie in diesem Fall nicht erhöhen, denn Mahnungen, Vollstreckungsmaßnahmen und auch die Drohung mit weiteren einschränkenden Maßnahmen können Ihnen später als Beweisanzeichen für eine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit und sogar des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes ausgelegt werden.
Vor allem sollten Sie darauf achten, dass zwischen der Leistungserbringung und der Zahlung maximal 30 Tage liegen, denn dann unterfällt die Zahlung dem Bargeschäftsprivileg nach § 142 InsO und ist grundsätzlich nicht bzw. nur unter erschwerten Anforderungen anfechtbar. Hier bietet sich auch eine Leistungserbringung nach Zahlung durch Vorkasse an.
Zudem können Sie mit Ihrem Geschäftspartner auch Ratenzahlungsvereinbarungen abschließen. Der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung stellt seit der Reform des Anfechtungsrechts im Jahr 2017 kein Indiz mehr für eine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit dar, sofern nicht vor der Ratenzahlungsvereinbarung bereits Indizien vorlagen, welche auf eine Zahlungsunfähigkeit schließen ließen. Beachten Sie aber, dass die Ratenzahlungsvereinbarung stets eingehalten wird und diese gut dokumentiert ist.
Auch sollten Sie keine Zahlungen oder Leistungen durch Dritte akzeptieren, die nicht vom Schuldner selbst stammen, denn diese gelten aufgrund ihrer Inkongruenz als risikobehaftet und sind besonders oft Ziel der Insolvenzanfechtung.
Diese Aufzählung ist nicht abschließend und wurde aus Übersichtsgründen auf die wesentlichen Punkte beschränkt.
Was tun bei einem Schreiben vom Insolvenzverwalter?
Ein Anfechtungsschreiben bedeutet nicht automatisch, dass Sie zahlen müssen. Grundsätzlich trifft den Insolvenzverwalter die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen. Eine erfolgreiche Beweisführung ist dem Insolvenzverwalter hingegen nicht immer möglich, da die Schuldnerunterlagen zum Beispiel nur lückenhaft sind. Mit einem guten taktischen Vorgehen lassen sich so oftmals Anfechtungsschreiben eines Insolvenzverwalters erfolgreich abwehren oder es lässt sich eine Einigung über einen geringen Betrag erzielen. Sie sollten daher nicht vorschnell zahlen. Die Kontaktaufnahme mit einem Rechtsanwalt mit Schwerpunkt auf dem Gebiet der Insolvenzanfechtung ist daher empfehlenswert, um wirtschaftlich ein gutes Ergebnis zu erzielen.
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