Was ist eine Reerdigung?
Bei der Reerdigung wird der Körper des Verstorbenen in einem geschlossenen, temperatur- und feuchtigkeitsregulierten Behälter zusammen mit pflanzlichem Material (z. B. Stroh, Holzspänen) eingebettet. Innerhalb von etwa 40 Tagen zersetzt sich der Körper durch mikrobiologische Prozesse vollständig. Zurück bleibt ein humusähnlicher, geruchloser Boden, der anschließend in einer dafür vorgesehenen Grabstätte beigesetzt wird.
Ziel dieser Methode ist es, eine besonders nachhaltige und CO₂-arme Alternative zur Erdbestattung und Einäscherung zu bieten. Befürworter argumentieren mit der Rückführung des Körpers in den natürlichen Kreislauf, Kritiker verweisen auf ethische, kulturelle und rechtliche Bedenken.
Rechtlicher Rahmen in Deutschland
Das deutsche Bestattungsrecht ist Ländersache. In nahezu allen Bundesländern ist gesetzlich vorgeschrieben, dass Leichen entweder erdbestattet oder eingeäschert werden. Diese beiden Formen sind abschließend geregelt, alternative Verfahren – wie etwa die Reerdigung – sind bislang nicht ausdrücklich vorgesehen.
Da es sich bei der Reerdigung weder um eine klassische Erdbestattung noch um eine Feuerbestattung handelt, ist ihre Zulässigkeit rechtlich umstritten.
Die erste Reerdigung in Europa fand im Februar 2022 in Schleswig-Holstein statt. Seitdem ist sie dort auch als Pilotprojekt gestattet. Gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 Bestattungsgesetz Schleswig-Holstein kann das für das Bestattungswesen zuständige Ministerium zur Erprobung bisher gesetzlich nicht geregelter Bestattungsarten auf Antrag Ausnahmen von den Vorschriften des BestattG SH zulassen. Die sogenannte „Richtlinie über die Zulassung von Ausnahmen von den Vorschriften des Bestattungsgesetzes Schleswig-Holstein zur Erprobung bisher gesetzlich nicht geregelter Bestattungsarten“ vom Ministerium für Justiz und Gesundheit regelt weitere Einzelheiten und Voraussetzungen einer Reerdigung.
Ziel ist es, auf Basis praktischer Erfahrungen eine mögliche Aufnahme dieser Bestattungsform in die Landesgesetze zu prüfen. Die meisten Bundesländer stehen einer Reerdigung bisher skeptisch gegenüber.
Friedhofszwang und Zulässigkeit
Auch bei einer Reerdigung gilt in Deutschland grundsätzlich der Friedhofszwang: Die Beisetzung muss auf einem dazu gewidmeten Friedhof erfolgen. Die spätere Beisetzung der umgewandelten Erde darf also nicht einfach im eigenen Garten oder in freier Natur stattfinden, sondern nur auf einem Friedhof, der diese Form der Beisetzung vorsieht.
Bisher ist die Beisetzung der entstandenen Erde nur auf Friedhöfen in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg möglich.
Religiöse und kulturelle Aspekte
Die Reerdigung steht auch in einem Spannungsverhältnis zu traditionellen religiösen Vorstellungen von Tod, Grab und Jenseits. Während sie von säkularen und ökologisch orientierten Gruppen vielfach begrüßt wird, stehen insbesondere konservative christliche und muslimische Gemeinschaften der Praxis teilweise kritisch gegenüber – insbesondere wegen der vollständigen „Auflösung“ des Körpers ohne klassisches Grab.
Allerdings zeigen sich auch hier zunehmend differenzierte Haltungen, insbesondere unter dem Eindruck des wachsenden ökologischen Bewusstseins und der Individualisierung von Bestattungswünschen.
Vorsorge und Beratung notwendig
Wer eine Reerdigung für sich selbst wünscht, sollte dies frühzeitig und schriftlich dokumentieren – etwa im Rahmen einer Bestattungsverfügung oder eines Vorsorgevertrags. Da die Durchführung derzeit nur in Schleswig-Holstein möglich ist und eine Genehmigung voraussetzt, sollte man sich rechtzeitig mit den gesetzlichen Voraussetzungen vertraut machen.
Zudem empfiehlt es sich, Angehörige frühzeitig über den Wunsch zu informieren und sich rechtlich beraten zu lassen.
Fazit
Die Reerdigung ist ein innovativer, ökologisch orientierter Ansatz der Bestattung, der in Deutschland zunehmend diskutiert wird – rechtlich aber noch Neuland darstellt. Wer diese Form der letzten Ruhe anstrebt, sollte sich über die gesetzlichen Vorgaben, praktischen Voraussetzungen und Genehmigungsverfahren frühzeitig informieren.
Unsere Kanzlei berät Sie kompetent bei allen Fragen rund um das Bestattungsrecht. Kontaktieren Sie uns gerne.
Bei Fragen oder Unterstützungsbedarf wenden Sie sich gerne an unsere Anwälte Ingo Hochheim und Sophia Laas unter info@steinbock-partner.de. Wir vereinbaren mit Ihnen gerne ein persönliches Gespräch – auf Wunsch auch per Videokonferenz. Selbstverständlich sind wir auch telefonisch für Sie erreichbar.