Aus für den Bocksbeutelautomaten in Würzburg – zu Recht?

Würzburg hat ein Unikat verloren. Der weltweit erste und bis dato einmalige Boxbeutelautomat in der Domstraße ist vorerst Geschichte. Aber liegt tatsächlich, wie von der Stadt Würzburg angenommen, ein Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz vor?

Würzburg hat ein Unikat verloren. Der weltweit erste und bis dato einmalige Boxbeutelautomat in der Domstraße ist vorerst Geschichte. Aber liegt tatsächlich, wie von der Stadt Würzburg angenommen, ein Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz vor?

Nach vorläufiger rechtlicher Würdigung lässt sich dies zumindest ernsthaft anzweifeln.

  • § 9 Abs.3 S.1 JuSchG besagt, dass in der Öffentlichkeit alkoholische Getränke nicht in Automaten angeboten werden dürfen. Hiermit will der Gesetzgeber die jederzeitige Verfügbarkeit alkoholischer Getränke und die gleichzeitige Möglichkeit Minderjähriger, sich zum eigenen Gebrauch zu bedienen, einschränken und damit der starken Gefährdung Jugendlicher durch Alkoholmissbrauch entgegenwirken.

Soweit kein hochprozentiger Alkohol angeboten wird, sondern bspw. Wein und Bier, gewährt § 9 Abs.3 S.2 Nr.2 JuSchG hiervon jedoch zwei alternative Ausnahmen. Neben der Möglichkeit, dass der Automat an einem für Kinder und Jugendliche unzugänglichen Ort aufgestellt ist, gilt das Verbot demnach auch dann nicht, wenn ein Automat in einem gewerblich genutzten Raum aufgestellt und bspw. durch technische Vorrichtung sichergestellt ist, dass Kinder und Jugendliche alkoholische Getränke nicht entnehmen können.

Da der Automat grundsätzlich die notwendigen technischen Vorrichtungen im Hinblick auf Alterskontrollen erfüllt, stellt sich die Frage, ob sich der Automat in einem gewerblich genutzten Raum befindet. Doch wann liegt ein solcher Raum vor?

Steht der Bocksbeutelautomat in der Öffentlichkeit? Oder in einem gewerblich genutzten Raum?

Der Bocksbeutelautomat steht in einem gewerblich genutzten Raum. Ausgehend von den Vollzugshinweisen zum Jugendschutzgesetz des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration, bestimmt sich das Vorliegen eines gewerblich genutzten Raums danach, ob es sich um ein Angebot eines verantwortlichen Betreibers an eine Vielzahl von Menschen handelt. Dies erfüllt der Boxbeutelautomat offensichtlich. Bleibt lediglich die Frage, ob es das Erfordernis eines abgeschlossen bzw. umschlossenen Raums bedarf. Selbst unter Berücksichtigung, dass Ausnahmevorschiften eng auszulegen sind, lässt sich dies nach unserer Ansicht ernstlich anzweifeln. Vielmehr muss das Augenmerk vorliegend auf dem Gesichtspunkt der gewerblichen Nutzung liegen. Aufgrund der gesetzlichen Anknüpfung an einen gewerblich genutzten Raum sind auch die gewerblichen Eigenheiten zu berücksichtigen. Der gewerblich genutzte Raum ist daher großzügiger auszulegen, insbesondere erscheint das Festhalten an starren Wand- oder Raumgrenzen weder ziel- noch zweckführend, ähnlich wie im Markt- u. Reisegewerbe.

Der im Gebäude des Supermarkts offen integrierte Raum, in welchen zu den Öffnungszeiten regelmäßig auch Obst und Gemüse angeboten werden, ist folglich als ein solch gewerblich genutzter Raum zu definieren. Es handelt sich um einen nach außen verlagerten gewerblichen Angebots- und Verkaufsraum. Hierfür spricht zudem, dass sich dieser Raum, aufgrund der dunklen Befliesung, sichtbar und eindeutig gegenüber der öffentlichen Fußgängerzone abgrenzen und eindeutig dem Supermarkt zuordnen lässt.

Spielt es eine Rolle, dass der Übergang in den öffentlichen Verkehrsraum fließend ist?

Nein. Der Warenautomat mit alkoholischen Getränken (und Ausweiskontrolle) wäre in einem rund um die Uhr geöffneten reinen Warenautomat-Supermarkt ohne Frage zulässig. Ein gewerblich genutzter Raum bedarf aber keiner „Eingangstür“.

Ist die gewerbliche Nutzung eventuell zeitlich begrenzt?

Nein, auch das Abstellen auf eine gewerbliche Nutzung dieses Raums, begrenzt auf die Öffnungszeiten des Supermarktes, leuchtet nicht ein. Anderenfalls würde selbst ein aufgestellter Zigaretten- oder Grillgutautomat außerhalb der Geschäftszeiten nicht länger unter eine gewerbliche Nutzung fallen. Das Ladenschlussgesetz gilt für das Betreiben von Warenautomaten gerade nicht.

Gibt es einen anderen Grund für die Unterscheidung zwischen einem Zigarettenautomaten und einem Alkoholautomaten?

Nein. Es handelt sich allein um das in § 9 JuSchG genannte Kriterium „gewerblich genutzter Raum“ im Unterschied zu § 10 JuSchG („Rauchen in der Öffentlichkeit, Tabakwaren“).

Wenn dieser Bereich der gewerblich genutzten Verkaufsfläche des Supermarktes zuzuordnen ist, ist die Nutzung des Automaten für den Verkauf von Alkohol im Einklang mit den Jugendschutzbestimmungen.

Gibt es zur Nutzung eines Warenautomaten für den Verkauf alkoholischer Getränke keine Rechtsprechung?

Doch, gibt es. So urteilte beispielhaft das Verwaltungsgericht Freiburg (17.01.2013 – 4K 1022/12), dass der dortig betroffene Betreiber des Warenautomaten seine alkoholischen Getränke weiterhin über den Automaten verkaufen darf. Das Verwaltungsgericht stellt in der Begründung sogar in den Raum, ob der Warenautomat nicht selbst den gewerblich genutzten Raum darstellen könne.

Rechtsanwalt Keller
Thomas Keller Rechtsanwalt
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