Wie erkennen wir aber, wann ein solcher Schutz besteht beziehungsweise wann man im Unterricht bestimmte Materialien nutzen darf?
Beginnen wir zunächst bei den Grundlagen. Urheberrechtsfähig ist jede eigene geistige Schöpfung, die eine gewisse Individualität aufweist und das Ergebnis eines Denkprozesses ist. Geschützt ist dabei die sogenannte „kleine Münze“. Demnach können auch kleinste geistige Schöpfungen bereits urheberrechtlichen Schutz genießen. Als Merkhilfe könnten hier Schlager dienen, die typischerweise weder besondere Musikalität noch besonders qualitativ hochwertige Texte aufweisen, dennoch wohl samt und sonders urheberrechtlichen Schutz genießen dürften.
Wir merken also im Ausgangspunkt: Um urheberrechtlichen Schutz genießen zu können, muss die eigene geistige Leistung nicht besonders hoch sein. Es genügt bereits, ein Mindestmaß an Individualität und neuer Gestaltung, um selbst Urheber oder Urheberin eines Werkes zu werden.
Urheberrecht in der Lehre
Beinahe alle aktuellen Werke der Literatur und Musik, aber auch der bildenden Künste, dürften somit urheberrechtlichen Schutz genießen. Dennoch werden Auszüge von Gedichten oder Werken der Musik immer wieder in der schulischen und universitären Lehre eingesetzt und genutzt.
Das ist nicht nur absolut notwendig, sondern darüber hinaus sogar gesetzlich erlaubt. § 60a Abs. 1 UrhG gibt Bildungseinrichtungen das Recht, zur Veranschaulichung des Unterrichts und zu nicht kommerziellen Zwecken bis zu 15 % eines bereits veröffentlichten Werks zu vervielfältigen, zu verbreiten, öffentlich zugänglich zu machen oder sonst irgendwie öffentlich wiederzugeben, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei ist vor allem der Kreis der Empfänger von entscheidender Bedeutung. Hier sind drei Personengruppen im Gesetz genannt, für die Absatz 1 greift:
- Lehrende und Teilnehmende der jeweiligen Veranstaltung (also etwa Dozentin und Studierende)
- Lehrende und Prüfer an derselben Bildungseinrichtung und
- Dritte, soweit es der Präsentation des Unterrichts und von Unterrichts- und Lernergebnissen an der Einrichtung dient (beispielsweise Elternabende, aber auch der Internetauftritt der jeweiligen Einrichtung)
Darüber hinaus dürfen auch Abbildungen, einzelne Beiträge aus einer Fachzeitschrift oder wissenschaftlichen Zeitschrift oder sonstige Werke „geringen Umfangs“ vollständig genutzt werden. Eine solche Nutzung geht über den gerade beschriebenen Grundsatz hinaus, ist aber von § 60a Abs. 2 UrhG gedeckt.
Man sieht also: Viele Werke genießen urheberrechtlichen Schutz, aber die Lehre darf sich oft auf Ausnahmen berufen. Anders wäre es auch nicht denkbar. Wie will man etwa ein Gedicht ohne den jeweiligen Text besprechen? Davon abgesehen muss es ja auch mal ein aktuelleres Gedicht sein als die alten Schinken aus der Klassik.
Urheberrechtsschutz für Prüfungsaufgaben und sonstige Materialien
Das wäre aber alles natürlich viel zu einfach, wenn wir nicht auch für entsprechende Lehrmaterialien urheberrechtlichen Schutz hätten. Schließlich können nicht nur die jeweiligen Werke selbst schutzfähig sein. Auch die Anordnung und Zusammenstellung eigentlich nicht urheberrechtsfähiger Werkteile kann für sich genommen eine persönliche geistige Schöpfung sein.
Bereits im Jahr 1999 hat das LG Köln klargestellt, dass selbst Multiple-Choice-Klausuren urheberrechtsfähig sein können. Das Urteil stellt klar, dass Klausuren „sowohl in ihrer Gesamtheit durch die Auswahl und Zusammenstellung der Fragen als auch in der Gestaltung der falschen Alternativantworten eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne des § 1 II UrhG“ darstellen können.
Aus diesem Grund können etwa private Anbieter von Weiterbildungsmaßnahmen eigene Skripte und Prüfungen aushändigen und gegen die Weitergabe der jeweiligen Prüfungen vorgehen. Je komplexer die Prüfung ist, umso eher wird eine Schutzfähigkeit vorliegen. Wichtig ist aber auch: Eine Schutzfähigkeit ist immer eine Einzelfallentscheidung. Nicht jede Prüfung wird urheberrechtlichen Schutz genießen und nicht jede Unterrichtseinheit wird so individuell gestaltet sein, dass auch sie einen urheberrechtlichen Schutz genießt.
Ganz grundsätzlich gilt es allerdings, Vorsicht zu bewahren, wenn man Prüfungen etwa digital weiterleitet. Anders ist es beispielsweise, wenn man sich ein Buch kauft und dieses nach Beendigung der eigenen Nutzung weitergibt. In diesem Fall greift das sog. „Erschöpfungsrecht“ bei Verbreitungen. Der Urheber oder die Urheberin haben das konkrete Werk bereits in die Öffentlichkeit entäußert, sodass ein Weiterverkauf dieses konkreten Werkes, also etwa auch der vom Verlag herausgebrachten Prüfungskopie, möglich ist. Dabei besonders entscheidend: Das konkrete Buch ist von der Erschöpfung erfasst, etwaige Kopien des Buches allerdings nicht. Auch hier darf also kein Mehrfachverkauf erfolgen.
Fazit
Das Urheberrecht in Lehre und Prüfung ist, wie sonst auch, leider oft kompliziert und von Einzelfällen geprägt. Allerdings lässt sich anhand der oben aufgestellten Grundsätze schon sehr gut abschätzen, welche Nutzung erlaubt ist und was man vielleicht besser lassen sollte.
Sollten im Einzelfall allerdings Fragen auftauchen und eine weitere Meinung notwendig sein, stehen wir natürlich für eine Beratung zur Verfügung. Melden Sie sich unter info@steinbock-partner.de oder 0931/22222 bei uns und unser Team Urheberrecht wird sich schnellstmöglich bei Ihnen zurückmelden.