Verfall von nicht genommenem Urlaub

Das Gesetz bestimmt, dass Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss, § 7 Abs. 3 S. 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Eine Übertragung auf das nächste Kalenderjahr ist nur in besonderen Ausnahmefällen gestattet. Im Falle einer solchen Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des neuen Kalenderjahres gewährt und genommen werden. Der Urlaubsanspruch ist damit faktisch zu gewähren. Die Abgeltung von Urlaub in Geld kennt das Gesetz jedenfalls nicht als Regelfall. Was gilt aber, wenn der Urlaub gar nicht genommen wurde?

Wann verfällt Urlaub?

Wird Urlaub aus dem laufenden Kalenderjahr bis zum Jahreswechsel und darüber hinaus nicht bis zum 31.03. des Folgejahres genommen, so verfällt der Urlaub. Von dieser grundsätzlichen Regel gibt es allerdings aufgrund neuester Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) eine Ausnahme: Weist der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht auf den drohenden Verfall hin, so verfällt der Urlaubsanspruch nicht mehr automatisch. Bei einem Arbeitgeberwechsel innerhalb eines Jahres gilt um einen möglichen Verfall vorzubeugen Folgendes: Bei dem neuen Arbeitgeber kann der noch aus der vorigen Beschäftigung verbliebene Urlaub genommen werden. Der frühere Arbeitgeber ist hierbei verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine Bescheinigung über den bereits genommenen beziehungsweise abgegoltenen Urlaub auszustellen, sodass eine doppelte Inanspruchnahme nicht möglich wird.

Kann der Urlaubsanspruch auch verjähren?

Grundsätzlich verjährt der Urlaubsanspruch nach der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren. Fraglich war bisher, ob die Verjährung auch dann eintritt, wenn der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nicht nachgekommen ist.

Eine aktuelle Entscheidung des EuGH (EuGH, Urt. v. 22.09.2022, Az. C-120/21) beantwortet diese Frage nun: Der Urlaubsanspruch verjährt nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret und verständlich über den Urlaubsanspruch informiert hat. Unterlässt der Arbeitgeber die erforderliche Unterrichtung, bleibt der Urlaubsanspruch auch über die Verjährungsfristen hinaus erhalten.

Welche Anforderungen sind im Hinweis auf den Verfall einzuhalten?

Damit der Urlaubsanspruch im nächsten Kalenderjahr verfallen kann, ist ein Hinweis seitens des Arbeitgebers notwendig. Kommt es zum (gerichtlichen) Streit, muss dieser zunächst nachweisen können, dass ein solcher Hinweis stattgefunden hat. Inhalt eines solchen Hinweises muss zunächst der Hinweis selbst sein sowie die Konsequenz eines unterlassenen Urlaubsantrags. Dabei muss er dafür Sorge leisten, dass der Arbeitnehmer den verbleibenden Urlaubsanspruch auch tatsächlich wahrnehmen kann. Darüber hinaus bedarf es eines solchen Hinweises jedes Jahr aufs Neue, sobald Urlaubstage zu verfallen drohen. Der einmalige Hinweis auf die Rechtslage genügt nicht. Auch muss eine konkrete Mitteilung über die Urlaubshöhe erfolgen. Nur wenn all dies rechtzeitig und klar verständlich durch den Arbeitgeber geschieht, ist er seiner Hinweispflicht nachgekommen.

Ist ein Hinweis auch bei Dauererkrankung erforderlich?

Bei dauerhaft erkrankten Arbeitnehmern können sich Urlaubsansprüche über die Jahre schnell addieren. Um dies zu verhindern, verfällt der gesetzliche Urlaubsanspruch bei solchen dauerkranken Beschäftigten spätestens 15 Monate nach Ablauf des entsprechenden Urlaubsjahres. Dabei ist unerheblich, wie lange die Krankheit darüber hinaus andauert. Bei einer solchen Dauererkrankung war bisher aber fraglich, ob auch insoweit eine wie zuvor dargestellte Hinweispflicht durch den Arbeitgeber besteht, deren Nichtbeachtung dem Verfall des Urlaubsanspruchs entgegenstehen könnte. Der EuGH (Urt. v. 22.09.2022, Az. C-518/20 und C-727/70) sagt in einer aktuellen Entscheidung hierzu, dass Urlaub zwar nach 15 Monate durchgehender Arbeitsunfähigkeit verfallen dürfe, auch ohne entsprechenden Hinweis des Arbeitgebers. Bei Mitarbeitern, bei denen erst im Verlauf eines Urlaubsjahres eine Langzeiterkrankung auftritt, kommt ein Verfall von Urlaubsansprüchen aus diesem Jahr aber nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber zuvor über den Urlaubsanspruch unterrichtet hatte.

Ich habe vertraglich mehr als 20 Urlaubstage – Wann verfallen diese?

Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt 24 Werktage bei einer 6-Tageswoche und im Fall der regulären 5-Tageswoche 20 Urlaubstage. Häufig sind im Arbeitsvertrag jedoch mehr Urlaubstage vereinbart. Grundsätzlich verfallen diese gemeinsam mit den gesetzlich garantierten Urlaubstagen. Allerdings ist es arbeitsvertraglich ebenso möglich den Verfall von zusätzlich gewährten Urlaubstagen zum Ende eines Kalenderjahres zu vereinbaren, auch wenn ein oben genannter Hinweis unterblieben ist. Diese strengen Anforderungen gelten zwingend nur für den gesetzlichen Mindesturlaub nach dem BUrlG.

Verfällt der Urlaubsanspruch im Falle des Todes des Arbeitnehmers?

Lange umstritten war die Frage, ob Urlaubstage eines Arbeitnehmers mit dessen Tod verfallen. Mittlerweile hat der EuGH diese Frage jedoch eindeutig geklärt: Nicht genommener Urlaub kann den Erholungszweck freilich nicht mehr erfüllen, wenn der Arbeitnehmer verstorben ist. Daher ist der Urlaubsanspruch abzugelten. Dieser Abgeltungsanspruch ist auch Teil der Erbmasse des Verstorbenen. Damit fällt seinen Erben im Todesfalle von selbst der Abgeltungsanspruch zu. Der Urlaubsanspruch verfällt daher nicht im Falle des Todes. Er wird als Anspruch auf Urlaubsabgeltung vielmehr Teil der Erbmasse.

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Elisa Härder Rechtsanwältin
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