Schwerbehinderter Bewerber

Das Arbeits- und Sozialrecht unterscheidet teilweise schwerbehinderte von nicht-schwerbehinderten Arbeitnehmern. Dadurch sollen Schwerbehinderte leichter am Arbeitsmarkt teilhaben können. Aufgrund ihrer Einschränkungen sollen sie einen besonderen Schutz erhalten. Zweck ist die Gleichstellung zu nicht-behinderten Arbeitnehmern. Der besondere Schutz Schwerbehinderter beginnt bereits bei der Stellenausschreibung. Hier sind einige besondere Regeln zu beachten. Die Bewerbungsphase öffnet oder verschließt dem schwerbehinderten Arbeitnehmer bereits eine große Möglichkeit an gesellschaftlicher Teilhabe.

Wann handelt es sich um einen schwerbehinderten Bewerber?

Das Sozialamt legt mit Hilfe von ärztlichen Gutachten den Grad der Behinderung fest. Der Umfang der Einschränkung wird in Zehnergraden von 20 bis 100 festgelegt. Der Wohnsitz oder der Ort der Beschäftigung muss dabei in Deutschland liegen. Eine solche Behinderung liegt vor, wenn körperliche, geistige oder seelische Sinne beeinträchtigt sind, § 2 Abs. 1 SGB IX. Die betroffene Person muss dabei länger als sechs Monate an der gleichberechtigten Teilhabe in der Gesellschaft gehindert sein.

Eine natürliche Person gilt laut Gesetz schwerbehindert, wenn ein Grad der Behinderung von mindestens 50 vorliegt. Allerdings reicht schon ein Grad der Behinderung von mindestens 30 aus, um auf Antrag als schwerbehindert zu gelten. Hier muss jedoch eine vergleichbare Einschränkung bestehen.

Muss für einen schwerbehinderten Bewerber immer eine Einladung zum Vorstellungsgespräch erfolgen?

Ob ein schwerbehinderter Bewerber zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden muss, hängt vom potentiellen Arbeitgeber ab. Hier ist ausschlaggebend, ob es sich um ein öffentliches oder privates Unternehmen handelt. Bewirbt sich ein Schwerbehinderter bei einem öffentlichen Arbeitgeber, muss ohne Ausnahme ein Vorstellungsgespräch folgen. Das gilt auch bei rein internen Stellenausschreibungen. Diese Pflicht entfällt nur, wenn der Bewerber fachlich nicht zur Stelle passt. Lädt ein öffentlicher Arbeitgeber trotz fachlicher Eignung des schwerbehinderten Bewerbers diesen nicht ein, macht er sich schadensersatzpflichtig. Die Höhe des Schadens beträgt hierbei bis zu drei (hypothetische) Monatsgehälter. Diese Pflicht besteht jedoch nur gegenüber öffentlichen Unternehmen. Private Arbeitgeber sind nicht verpflichtet schwerbehinderte Bewerber einzuladen.

Was gilt, wenn die Schwerbehinderung vom Bewerber nicht offengelegt wurde?

Das kommt durchaus häufiger vor, dass Bewerber befürchten, aufgrund der Behinderung benachteiligt zu werden. Sie müssen es natürlich auch nicht offenlegen. Allerdings greifen die gesetzlichen Ansprüche nicht, wenn der Arbeitgeber darauf nicht hingewiesen wurde. Und der Hinweis muss auch deutlich und leicht zu erkennen sein. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, alle Unterlagen zu durchsuchen, ob irgendwo ein Hinweis versteckt sein könnte.

Warum betont der Bewerber seine Schwerbehinderung?

Das ausdrückliche Betonen der Schwerbehinderung eines Bewerbers kann mitunter nur ein freundlicher Hinweis sein. Dies beseitigt im Vorfeld mögliche Missverständnisse. Außerdem kann so ein frühzeitiges Anpassen des Arbeitsplatzes erfolgen. Das Aufklären der Schwerbehinderung birgt für den möglichen Arbeitgeber unter Umständen jedoch auch besondere Risiken. Unterlaufen ihm bei bekannter Schwerbehinderung im Vorstellungsgespräch oder im Anbahnungsprozess Fehler, kann dies diskriminierend sein. Hier kann für den Bewerber häufig ein Schadensersatzanspruch entstehen. Bei Schadensersatzansprüchen aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) besteht für den Arbeitgeber häufig das Problem einer Beweislastumkehr. Dazu kommen Beweisschwierigkeiten, die es unmöglich machen, eine Diskriminierung zu widerlegen. So besteht für jeden Arbeitgeber beispielsweise die Pflicht den Eingang der Bewerbung eines Schwerbehinderten unverzüglich an die Schwerbehindertenvertretung weiterzuleiten. Auch besondere Informationspflichten gegenüber der Agentur für Arbeit dürfen hier nicht vernachlässigt werden.

Darf ich eine Schwerbehinderung verschweigen?

Eine generelle Pflicht eine bestehende Schwerbehinderung im Rahmen einer Stellenausschreibung aufzuklären, gibt es für den Bewerber grundsätzlich nicht. Zwar gibt es viele Berufe deren Ausübung mit bestimmten Behinderungen kaum möglich ist. Insoweit ist es unter Umständen für den Bewerber förderlich auf seine Schwerbehinderung hinzuweisen. Doch auch dies ist keine Pflicht. Möglicherweise ist es aber gerade sinnvoll die Schwerbehinderung nicht zu verschweigen. Unternehmen, in privater sowie in öffentlicher Hand, sind nämlich ab einer Beschäftigtenzahl von 20 Arbeitnehmern dazu verpflichtet, 5% ihrer Stellen mit Schwerbehinderten zu besetzen. Hier können sich für den Bewerber besondere Chancen auftun.

Darf der Arbeitgeber nach einer Schwerbehinderung fragen?

Stellt der Arbeitgeber von sich aus die Frage nach der Schwerbehinderung, könnte dies bereits unzulässig sein. Dies richtet sich jedoch streng nach dem Einzelfall. Grundsätzlich steht dem Arbeitgeber eine solches Fragerecht nicht zu. Beantwortet der Bewerber die Frage sogar wahrheitswidrig mit „Nein“, ist dies daher keine arglistige Täuschung. Der Arbeitgeber kann den Arbeitsvertrag wegen der bewusst falschen Antwort auf diese Frage also grundsätzlich nicht anfechten. Sollte der schwerbehinderte Bewerber eine besondere, notwendige Leistung nicht erfüllen können, gestaltet sich das Ganze anders. Hierbei kann das Fragerecht des Arbeitgebers zulässig sein. Auch ist eine falsche Antwort auf die Frage dann unter Umständen eine arglistige Täuschung seitens des Bewerbers. Anderes gilt jedoch bei einem aktuellen Arbeitsverhältnis. Besteht ein solches mindestens sechs Monate, sodass besondere Kündigungsschutzvorschriften greifen, darf der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer nach einer Schwerbehinderung fragen. Dieses Fragerecht besteht dann nicht zuletzt, da die Kündigung eines Schwerbehinderten für den Arbeitgeber besondere Pflichten mit sich bringt. Diese kann er aber nur beachten, wenn er die Schwerbehinderung kennt.

Besteht bei einem Pflichtverstoß des Arbeitgebers das Recht auf die Stelle?

Verstößt der Arbeitgeber gegen eine besondere Pflicht gegenüber einem schwerbehinderten Bewerber, hat der Bewerber hierdurch nicht automatisch das Recht auf die Stelle. Bei Pflichtverletzungen, die eine Diskriminierung als Grund haben, kann unter Umständen allerdings ein Schadensersatzanspruch entstehen. Die Ablehnung einer Bewerbung mit Verweis auf die bestehende Schwerbehinderung, stellt daher zumeist eine unzulässige Diskriminierung Schwerbehinderter dar. Ein Schadensersatzanspruch ist in diesem Fall wahrscheinlich.

Gibt es Besonderheiten im neuen Arbeitsvertrag?

Ist das Bewerbungsgespräch positiv verlaufen und dem Schwerbehinderten wird ein Arbeitsvertrag vorgelegt, sollte dieser auf einige arbeitsvertragliche Besonderheiten achten. Eine dieser Besonderheiten ist der Zusatzurlaub. Schwerbehinderte Menschen haben, über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus, Anspruch auf einen bezahlten Zusatzurlaub von fünf Arbeitstagen im Jahr. Verteilt sich die durchschnittliche Arbeitszeit hierbei auf mehr oder weniger als fünf Arbeitstage pro Woche, so steigen oder fallen die Urlaubstage im selben Maß. Entspricht dies den persönlichen Anforderungen des Schwerbehinderten, so kann dieser auch verlangen im Arbeitsvertrag das Freistellen von Mehrarbeit festzuhalten. „Mehrarbeit“ ist dabei die Zeit, die über eine Arbeitszeit von acht Stunden hinausgeht. Dabei ist es unbedeutend, ob die vertraglich vereinbarte Zeit darüber oder darunter liegt.

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Elisa Härder Rechtsanwältin
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