Ursachen und Erscheinungsformen psychischer Erkrankungen sind vielseitig
Es gibt eine Vielzahl an psychischen Erkrankungen, die eine Berufstätigkeit stark beeinträchtigen oder gar unmöglich machen können. Maßgeblich ist hierbei die schwere des Krankheitsverlaufs und das zeitliche Bestehen der Symptome. Zu den psychischen Erkrankungen, die Versicherer als Grund für eine BU anerkennen, zählen unter anderem:
- Depressionen
- Burn-Out
- Bipolare Störungen
- Psychosen
- Schizophrenie
- Angst- und Zwangsstörungen
- Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS)
- Borderline-Syndrom
- Autismus/Asperger Syndrom
Psychische Erkrankungen sind unter anderem auf einen gesteigerten Leistungsdruck in einer sich wandelnden Arbeitswelt, Mobbing durch Kollegen und Vorgesetze sowie auf Stress infolge der Doppelbelastung durch Beruf und Familie zurückzuführen. Außerdem erkranken nicht selten Patienten infolge einer schweren lebensbedrohlichen Krankheit an einer (wenn auch meist temporären) Depression. Depressive Verstimmungen und Angststörungen können zudem als Folge von Long Covid oder eines Post-Covid-Syndroms eintreten. Die Ursachen eines psychischen Ungleichgewichts können also ambivalent sein. Jeder kann betroffen sein.
Berufsunfähigkeitsversicherungen zögern
Wer von einer psychischen oder psychosomatischen Erkrankung betroffen ist, weiß, dass der Leidensdruck enorm sein kann. Bei einem fortschreitenden Krankheitsbild lassen sich Job und Alltag häufig kaum noch bewältigen, sodass in einigen Fällen schließlich die Berufsunfähigkeit droht. Damit einhergehende Existenzsorgen verschlimmern die Grunderkrankung dann in den meisten Fällen.
Dann sollte eigentlich die BU-Versicherung einspringen um eine vollständig Genesung gewährleisten zu können. Diese tun sich allerdings manchmal mit der Anerkennung psychischer Erkrankungen als Auslöser einer Berufsunfähigkeit schwer, da der Nachweis einige Besonderheiten aufweist. Während bei körperlichen Leiden die gesundheitlichen Einschränkungen offen sichtbar und anhand bildgebender Diagnostik nachweisbar sind, ist die Einschätzung der Schwere einer psychischen Erkrankung oft schwierig. Aus Sicht der Versicherer werden psychische Leiden aufgrund ihrer schweren Objektivierbarkeit regelmäßig also gar nicht erst als „echte“ Erkrankung anerkannt. Dementsprechend wird nahezu jeder dritte solche BU-Antrag zunächst abgelehnt. Oftmals mit der Begründung, dass sich eine mindestens 50 % Berufsunfähigkeit im gegenwärtigen Fall nicht nachweisen lässt. Gemeinhin gehen Versicherer zudem davon aus, dass es sich bei der psychischen Erkrankung um eine vorübergehende gesundheitliche Beeinträchtigung handelt, die nicht zu einer dauerhaften BU führt und mit Hilfe einer Therapie zügig gelindert werden kann. Diese Einschätzung ist in den meisten Fällen jedoch verfehlt, da depressive Episoden selbst nach einer abgeschlossenen Therapie auftreten können und Betroffene oft mehrere Jahre brauchen, um in den Alltag zurückzufinden.
Hinzu kommt, dass viele Antragsteller dem „Frage-und-Antwort-Spiel“ der Versicherer alleine nicht gewachsen sind. So muss der Betroffene der Versicherungsgesellschaft zur Überprüfung des Antrags auf Leistung ein entsprechendes Attest der behandelnden Ärzte, einen sogenannten Stundenplan sowie ein Gutachten durch einen Facharzt für Psychiatrie vorlegen. Diese – im Auftrag der Versicherer erstellte – Gutachten zeugen jedoch nicht gerade von Neutralität, da die Gutachterpersonen auf der Honorarliste der Versicherungen stehen. Atteste von Psychotherapeuten werden fast nie anerkannt. Der damit einhergehende und oft langwierige bürokratische Kampf birgt viel Stresspotential, sodass auf diese Weise dem Ziel der Genesung zusätzlich entgegengewirkt wird.
Urteile der Gerichte: Psychische Erkrankungen rechtfertigen Berufsunfähigkeit
Lassen Sie sich hiervon nicht abschrecken und wehren Sie sich – denn viele Versicherer rechnen gerade damit, dass psychisch angeschlagene Antragsteller einen Prozess vor Gericht aufgrund einer Mehrbelastung aus dem Weg gehen möchten.
Der Gang vor Gericht kann sich jedoch auszahlen:
Das LG Bochum urteilte am 17.11.2010 (Az. 4 O 313/09) über einen Sachverhalt, in dem der Kläger – Leiter einer Bankfiliale – zunehmend an depressiven sowie phobischen Zuständen litt. Verschiedene berufsrelevante Ereignisse, teilweise auch Misserfolge, trugen dazu bei, dass der Kläger unter anderem durch Rechtfertigungsdruck einer psychisch hohen Belastung ausgesetzt war, welche sich auch äußerlich durch Zittern der rechten Hand zeigte. Das Landgericht gab hier der Klage auf BU-Rente statt und stellte fest, dass die Berufsunfähigkeit des Klägers auf eine Angsterkrankung mit depressiver Symptomatik sowie einer phobischen Komponente, die als sozial-phobisch interpretiert werden muss, zurückzuführen sei. Entscheidend sei hierbei die Feststellung, dass diese Krankheit nicht nur vorübergehend sei und nicht lediglich im Rahmen normaler Stressreaktionen in einem fordernden Job aufkomme. Einige eindeutige Indizien dafür, dass solche Zustände nicht nur vorübergehend seien, zeigten sich besonders im krankheitsbedingten Verhalten außerhalb des Arbeitsplatzes. Hierzu zählt unter anderem Gewichtszunahme, plötzlicher Alkoholkonsum, Lethargie. Auch die massive Einschränkung des Privatlebens begleitet von Tendenzen zum sozialen Rückzug und allgemeiner Kontaktvermeidung bestätigen, dass sich die Erkrankung in allen Bereichen auswirke.
Überdies hat das OLG Frankfurt am Main mit Urteil vom 23.02.2022 (Az. 7 U 199/12) entschieden, dass eine Berufsunfähigkeit auch auf der Diagnose einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren beruhen kann. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses als Flugzeugabfertiger tätig, jedoch endete das Arbeitsverhältnis wegen zunehmender gesundheitlicher Beschwerden. Die beklagte Versicherung lehnte Leistungen aus der BU-Versicherung unter Simulationsvorwurf ab. Der Senat holte hier ein internistisch-rheumatologisches Gutachten ein, wobei vom Sachverständigen auf somatischen Gebiet objektiv nachweisbare Beeinträchtigungen in einem Umfang von 40 % festgestellt wurden. Hieran anknüpfend sei der Sachverständige für psychosomatische Medizin zu der überzeugenden Feststellung einer „chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren“ gelangt, die zu Leistungseinbußen von deutlich mehr als 50 % im zuletzt ausgeübten Beruf führten. Diese Diagnose setze nicht die Feststellung eines psychischen Konflikts oder einer psychosozialen Belastungssituation voraus.
Schließlich urteilte auch das OLG Bremen am 25.6.2010 (Az. 3 U 60/09), dass es für die Feststellung der Berufsunfähigkeit eines psychisch Erkrankten entscheidend auf den psychischen Befund ankommt, der sich aus den Angaben des Betroffenen zu seinem Erleben und Befinden und der Beobachtung seines Verhaltens ergibt. Der Untersucher muss sich sicher sein, dass die psychischen Beschwerden nicht vorgetäuscht sind. Im zugrundeliegenden Fall zog sich der klagende Justizvollzugsbeamte während einer körperlichen Auseinandersetzung mit einem Häftling blutende Wunden zu. Er befürchtete, sich mit dem HIV-Virus infiziert zu haben und war fürs erste krankgeschrieben. Der Vorfall hatte ihn jedoch so sehr belastet, dass er in eine schwere Depression fiel und unter posttraumatischen Belastungsstörungen litt. Dies hatte zur Folge, dass er nicht weiterarbeiten konnte und die Zahlung der BU-Rente beantragte. Der Sachverständige diagnostiziert keine PTBS, sondern vielmehr ein ausgeprägtes phobisches Angstsyndrom. Es handle sich um eine Angsterkrankung, die chronisch werden kann, wenn der Kläger sich weiter auf seine Angst konzentriert. Dementsprechend könne der Kläger seinen Beruf als Justizvollzugsbeamter nicht weiter ausüben, insbesondere weil bei seiner Tätigkeit ausgeprägten Panikattacken und Angstzuständen nicht auszuschließen sind. Seiner Meinung nach liegen außerdem klare Hinweise dafür vor, dass die psychischen Beeinträchtigungen des Klägers im zeitlichen Zusammenhang mit dem Vorfall stehen. Die Beschwerdeschilderung und Symptombildung ist typisch und charakteristisch für ein phobisches Angstsyndrom. Der Senat hielt die Ausführungen des Sachverständigen für nachvollziehbar und überzeugend, sodass er dem Kläger einen Anspruch auf Leistungen aus der BU-Rente zusprach.
Häufig schaffen wir es aber auch durch geschicktes Verhandeln und den Aufbau von immer größeren Druck die Versicherungen zur Zahlung zu bewegen, ohne dass ein Klageverfahren tatsächlich notwendig wird.
Kompetente Unterstützung durch unsere Rechtsanwälte für Versicherungsrecht
Unsere Erfahrung zeigt, dass sich viele Versicherte vorschnell mit der Antwort Ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung abfinden. Nach einer scheinbar endlosen Odyssee ist es nachvollziehbar, dass man auf zusätzlichen Ärger mit der „eigenen“ Versicherung durchaus verzichten kann und will. Hierdurch könnten Ihnen jedoch wertvolle Ansprüche verloren gehen, die Ihnen schlichtweg zustehen. Lassen Sie uns daher ein Schutzschild für Sie bilden, denn es geht um die Absicherung Ihrer Zukunft.
Die Anwälte unserer Kanzlei mit Filialen unter anderem in Würzburg, München und Gotha stehen Ihnen bundesweit gern als Rechtsbeistand zur Seite. Vereinbaren Sie für Ihr Anliegen einfach ein Gespräch, das dank unserer technischen Ausstattung auch telefonisch oder online durchgeführt werden kann. Darüber hinaus können Sie auch gerne unseren kostenlosen „Rückruf-Service“ nutzen, unter 0931 22222 anrufen oder eine Email an info@steinbock-partner.de schicken.