Nachbarschaftliche Streitigkeiten haben insbesondere ein großes Konfliktpotenzial, wenn es um die Grundstücksgrenzen geht. Denn dann muss geklärt werden, welches Grundstück bis wohin reichen darf. Kompliziert wird es insbesondere dann, wenn bestimmte Teile von einem Grundstück auf ein Anderes ragen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun in einem Grundsatzurteil entschieden, dass eine grenzüberschreitende Wärmedämmung zulässig ist – wenn mit vertretbarem Aufwand nicht anders möglich. Dementsprechend darf die Wärmedämmung unter Umständen von einem Grundstück auf ein Anderes ragen. Insbesondere für den Klimaschutz handelt es sich um ein wegweisendes Urteil.
Was das Urteil alles erfasst, für wen es gilt und welche Problematiken sich für den Brandschutz ergeben können, erfahren Sie hier:
Was besagt das Urteil zur grenzüberschreitenden Wärmedämmung ?
Der BGH hat entschieden, dass eine nachträgliche Wärmedämmung eines Hauses in das Grundstück des Nachbarn ragen darf. Dabei hielten die Richter die entsprechende Regelung des Landes Nordrhein-Westfalen für zulässig.
Allein aus Klimaschutzgründen seien solche Vorschriften der Bundesländer schon zulässig. Denn die Energieeinsparung führe dazu, dass es zu einer Verminderung von Treibhausgasemissionen komme, so das Gericht in seiner Entscheidung.
Konkret ging es in der verkündeten Entscheidung um einen Nachbarschaftsstreit aus Köln zwischen zwei Eigentümern von Mehrfamilienhäusern. Das erste Mehrfamilienhaus stand derweil mit seiner Giebelwand direkt an der Grundstücksgrenze. An dieses wollte der Hauseigentümer von außen noch eine Wärmedämmung anbringen. Dabei berief er sich auf § 23a Nachbarrechtsgesetz (NachbG), wonach der Nachbar eine solche Wärmedämmung dulden müsse, sofern mit vertretbarem Aufwand keine vergleichbare Wärmedämmung geschaffen werden kann. Insgesamt darf die Wärmedämmung gemäß § 23a NachBG bis zu 25 Zentimeter in das Grundstück des Nachbarn ragen.
Der zweite Wohnungseigentümer wollte sich allerdings mit der Regelung und den Plänen seines Nachbarn nicht anfreunden und klagte auf Unterlassen. Zudem stellte er die Verfassungsmäßigkeit von § 23a NachbG in Frage.
Der BGH lehnte dies jedoch ab und erklärte, er müsse die Pläne seines Nachbarn dulden. Er verwies dabei darauf, dass es sich nur um eine unwesentliche Beeinträchtigung handele. 25 Zentimeter seien nicht soviel, dass die Rechte des Nachbarn zu stark beeinflusst werden würden.
Gilt das Urteil auch für Neubauten?
Nein. Denn das Urteil des BGH bezog sich nur auf Altbauten. Dementsprechend können vor Jahrzehnten errichtete Gebäude inklusive Wärmedämmung die Grundstücksgrenze überschreiten, ohne dass dies gegen das Nachbarschaftsrecht verstößt. Handelt es sich allerdings um einen Neubau, so muss sich die Wärmedämmung innerhalb des eigenen Grundstücks bewegen.
Dies ist auch im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH. Der Unterschied ist, dass es bei Neubauten regelmäßig möglich sein wird, auch einschließlich der Wärmedämmung die Grenze nicht zu überschreiten. Der nicht vertretbare Mehraufwand liegt gerade darin, eine Bestandswand zu versetzen.
Dürfen die Bundesländer eine Regelung zur grenzüberschreitenden Wärmedämmung überhaupt erlassen?
Ja. Zwar heißt es grundsätzlich „Bundesrecht bricht Landesrecht“, doch in manchen Fällen besteht eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz. Dementsprechend dürfen sowohl der Bund als auch die Länder Gesetze in dieser Thematik erlassen.
So erklärten die Karlsruher Richter in dem aktuellen Urteil, dass es im Rahmen des Klimaschutzes erlaubt sei, dass die einzelnen Bundesländer Regelungen wie §23a NachbG erlassen. Ein solcher Erlass durch die Länder ist auch dann möglich, wenn es ähnliche Bundesregelungen bereits gibt. Dies war in diesem Fall §912 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Die landesrechtlichen Regelungen müssen nur an das Bundesgesetz anknüpfen und die Grundidee des Gesetzes wahren, so das höchste deutsche Zivilgericht.
In welchen Bundesländern gibt es eine Regelung zur nachträglichen Wärmedämmung?
Das private Nachbarrecht wird in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich gehandhabt. Vergleichbare Regelungen zur nachträglichen Wärmedämmung wie in Nordrhein-Westfalen gibt es in sechs verschiedenen Bundesländern. Darunter fallen Baden-Württemberg, Hessen, Brandenburg, Niedersachsen, Thüringen und Berlin. In diesen Ländern gibt es explizite Gesetze zum vorsätzlichen Überbau und unter welchen Umständen ein Eigentümer diesen dulden muss.
Was passiert, wenn es kein Landesnachbachbarrechtsgesetz gibt?
Grundsätzlich ist eine juristische Regel, vom Speziellen ins Allgemeine zu gehen. Dies bedeutet, sofern es keine spezielle Regelung gibt, wird das Allgemeine angewendet. Dies ist im Falle des Nachbarschaftsrechts das Bürgerliche Gesetzbuch. In §§ 903- 924 und auch in § 1004 BGB finden sich Vorschriften, wie das Nachbarschafsrecht ausgestaltet werden soll. Insbesondere für den Überbau ist dabei § 912 BGB von großer Bedeutung.
Hat ein Bundesland kein Nachbarrechtsgesetz erlassen, kommen diese Regelungen zur Anwendung. Darüber hinaus können Ausführungsgesetze zum BGB herangezogen werden.
In Bayern beispielsweise gibt es kein explizites Gesetz zum Nachbarrecht. Dagegen gibt es ein Ausführungsgesetz des BGB, was unter anderem auch ein Kapitel zum Nachbarschaftsrecht enthält. In § 46a AGBGB wird die überschreitende Wärmedämmung thematisiert. Demnach haben Eigentümer aber auch Nutzungsberechtigte (zum Beispiel Mieter) den entstehenden Überbau zu dulden, sofern es sich um eine nachträgliche Wärmedämmung handelt.
Wieso könnte das Urteil zur grenzüberschreitenden Wärmedämmung aus Brandschutzgründen problematisch sein?
Aus Gründen des Klimaschutzes dürfte die Entscheidung des BGH’s eine große Signalwirkung haben. Allerdings meldeten sich auch bereits verschiedene Sachverständige aus der Baubranche zu Wort, die die Entscheidung kritisierten. So erwähnten die Richter in ihrer Entscheidung mit keinem Wort das Thema Brandschutz. Dies ist pikant, da im Falle benachbarter Grundstücke der Brandschutz eine große Rolle spielt. Indem der BGH erlaubt, dass brennbare Dämmstoffe den Mindestabstand überschreiten, könnte sich dies nachteilig auf den Brandschutz auswirken.
Dementsprechend ist es im Sinne der Eigentümer, dass beispielsweise die Gebäudeabschlusswand mit einem nicht brennbaren Stoff gedämmt wird.
Was kann ich machen, wenn ich Probleme mit der Wärmedämmung meines Nachbarn habe?
Oftmals ist das Nachbarschaftsrecht von Emotionen geprägt, da es um das Grundstück und somit in der Regel um das eigene Zuhause geht. Gleichzeitig ist eine pauschale Antwort in der Regel schwierig, da es sich um Einzelfallentscheidungen handelt.
Bei einer Grenzüberschreitung durch den Nachbarn muss beispielsweise geprüft werden, ob es zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Grundstücks kommt. Wenn das Ziel ist, die Grenzüberschreitung abzuwehren, könnte also die vorher erwähnte Problematik des Brandschutzes eine wertvolle Argumentationshilfe sein.
Für die Einschätzung der Sachlage bedarf es dabei sowohl fundierter juristischer Kenntnisse, als auch eines technischen Verständnisses. Ein Fachanwalt für Miet– und Wohnungseigentumsrecht kennt sich dabei mit den spezifischen Problemen des Nachbarrechts aus, sodass er Sie bestmöglich unterstützen kann. Idealerweise betreut er dabei auch baurechtliche Mandate.
Ihr Ansprechpartner bei allen Fragen rund um das Nachbarschaftsrecht!
Sofern Sie nachbarschaftliche Probleme insbesondere in Fällen der grenzüberschreitenden Wärmedämmung haben, steht Ihnen unser Rechtsanwalt Alexander Stegmann gerne zur Seite. Herr Stegmann ist Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht und betreut daneben das Baurecht in unserer Kanzlei. Auf Wunsch kann die gesamte Mandatsabwicklung auch via Telefon, Fax und E-Mail erfolgen. Wir betreuen Sie insofern auch gerne bundesweit.