Mehrere Nießbrauchsberechtigte
Der Nießbrauch ist ein beliebtes Mittel, um im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge die entstehende Steuerlast zu reduzieren. Eine besondere Situation ergibt sich hierbei, wenn mehrere Berechtigte für den Nießbrauch existieren sollen. Dies ermöglicht weitere Gestaltungsoptionen, birgt aber auch einige Risiken, die bei der Überlegung berücksichtigt werden müssen.
Wie berechnet sich der Wert des Nießbrauch?
Der Eigentümer kann die mit Nießbrauch belasteten Immobilien nicht selber nutzen. Außerdem kann er nicht über eventuelle Mieteinnahmen verfügen. Es tritt daher eine Wertminderung der Immobilie ein. Der Wert des Nießbrauchs nimmt daher eine wichtige Rolle ein.
Bei einer Schenkung ist dieser Wert vom Immobilienwert abzuziehen und hat somit wesentlichen Einfluss auf den Wert der Schenkung. Damit wird auch mittelbar die anfallende Schenkungssteuer beeinflusst.
Der Grundsatz der Berechnung ist auch bei mehreren Nießbrauchsberechtigten zu berücksichtigen. Er bietet auch hier stets das Grundgerüst für die Berechnung des Wertes. Grundlage zur Berechnung eines lebenslangen Nießbrauchs sind:
Diese wird durch Sterbetabellen anhand von Veröffentlichungen durch das Bundesministerium der Finanzen ermittelt. Differenziert nach Alter und Geschlecht des Berechtigten wird demnach aus der Lebenserwartung ein sogenannter Kapitalwertfaktor oder auch Vervielfältiger bestimmt. Dieser sich aus von der Behörde veröffentlichten Tabellen.
Der Jahreswert der Immobilie bemisst sich bei einem Mietobjekt nach der Nettojahreskaltmiete. Bei unbebauten Grundstücken, etwa landwirtschaftlichen Flächen, ist die jährliche ortsübliche Pacht heranzuziehen. So bestimmt sich der Jahreswert für den Nießbrauch letztlich nach dem Ertrag, der aus dem Grundstück zu erwarten ist.
Der Jahreswert ist jedoch begrenzt nach § 16 BewG auf 1/18,6 des Immobilienwertes. Sofern der Ertrag diesen Wert übersteigen sollte, darf nur der geringere Jahreswert angesetzt werden.
Beispiel: Immobilienwert : 500.000,00 EUR
Kaltmiete/Monat : 2.500,00 EUR
Jahreswert Miete : 30.000,00 EUR
Jahreswert § 16 BewG : 26.881,72 EUR
Hier darf als Jahreswert des Nießbrauchrechts nur der geringere Wert nach § 16 BewG i.H.v. 26.881,72 EUR angesetzt werden.
Nießbrauch zugunsten von mehreren Nießbrauchsberechtigten
Beispielsweise bei Ehegatten, die ein Grundstück an die nächste Generation übertragen, kann es der Wunsch sein, dass das Nutzungsrecht erst erlöschen soll, wenn der Letzte von den beiden stirbt. Denkbar sind aber auch Fälle, in denen Nießbrauchsberechtigte aus verschiedenen Generationen zusammenkommen. Auch andere Konstellationen sind möglich.
Gemeinsam ist aber allen diesen Gestaltungen, dass mehrere Berechtigte am Nießbrauch teilhaben sollen. Das ist grundsätzlich möglich. Es bestehen jedoch gewisse Einschränkungen für den Nießbrauch.
Möglich sind eine Berechtigung zu Bruchteilen (auch als Quotennießbrauch bekannt) oder die Gesamtberechtigung aller Beteiligten gemäß § 428 BGB. Welche Konstellation hierbei zu bevorzugen ist, ist stets vom Einzelfall abhängig. Auch in der zeitlichen Einordnung der Nießbrauchsberechtigung gibt es verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten.
Bewertung des Nießbrauchs für mehrere Berechtigte
Die Bewertung bei mehreren Nießbrauchsberechtigten richtet sich nach den gleichen Grundprinzipien. Auch hier sind die Lebenserwartung der Berechtigten und der Jahreswert die beiden wertbestimmenden Faktoren. Soweit alle gleichzeitig Berechtigte sind, gibt § 14 Abs. 3 BewG auch eindeutig vor, wie die „Lebenserwartung“ zu bestimmen ist.
Da mehrere berechtigt sind, muss eine Entscheidung getroffen werden, welcher Wert hier zugrunde gelegt wird. Die Kapitalwertfaktoren der einzelnen Beteiligten weichen voneinander ab. Daher gibt bereits das Gesetz vor, dass in diesem Fall der höchste Vervielfältiger herangezogen werden muss.
Beispiel: Ehefrau (F) und Ehemann (M) übertragen die gemeinsame vermietete Immobilie gegen Nießbrauch als Gesamtberechtigte gem. § 428 BGB. Beide waren zuvor auch gemeinsam Eigentümer dieser Immobilie. F ist 75 Jahre alt, M ist 78 Jahre alt. Die Jahresnettokaltmiete beträgt 20.000,00 EUR.
Jahreswert : 20.000,00 EUR
Vervielfältiger F : 9,457
Vervielfältiger M : 7,303
Kapitalwert Nießbrauch : 189.140,00 EUR
Der Kapitalwert des Nießbrauchrechts in diesem Beispiel ergibt sich aus Multiplikation des Jahreswertes mit dem Vervielfältiger für F, da dieser größer ist.
Welchen Vorteil kann man aus der gesetzlichen Regelung ziehen?
Die vom Gesetz vorgegebene Verwendung des höchsten Vervielfältigers entspricht nicht mathematischen Grundsätzen. Die verschobene Wahrscheinlichkeit in der Lebenserwartung aufgrund mehrerer Berechtigter wird hier gerade nicht berücksichtigt.
Beispiel: vier Nießbrauchsberechtigte: A, weiblich, 80 Jahre; B männlich, 81 Jahre; C, weiblich 79 Jahre; D männlich 80 Jahre.
Vervielfältiger: A = 7,592; B = 6,205; C = 7,908; D = 6,567
Zur Berechnung ist hier der Vervielfältiger von C mit 7,908 als höchster heranzuziehen.
Hätte im genannten Beispiel nur B alleine den Nießbrauch bestellt, wäre der Vervielfältiger etwas geringer ausgefallen. Die Wahrscheinlichkeit, dass zumindest einer der vier Beteiligten die durchschnittliche Lebenserwartung übertrifft, wird jedoch durch die Erhöhung des Vervielfältigers nicht nach mathematischen Grundsätzen repräsentiert.
Der berechnete Wert des Nießbrauchs ist daher geringer als die faktisch zu erwartende Belastung des Eigentümers. Der Verkehrswert bei einem möglichen Verkauf dürfte daher deutlich stärker betroffen sein. Diese Überlegung ermöglicht es, durch mehrere Berechtigte einen künstlich niedrigen Wert des Nießbrauchs zu erreichen. Gleichzeitig muss aber aus Perspektive eines Käufers die hohe faktische Belastung bei der Verhandlung zum Kaufpreis bedacht werden.
Wie kann der Wert des Nießbrauchs maximiert werden?
Bei unentgeltlichen Übertragungen möchten die Beteiligten für eine möglichst geringe Erbschafts- und Schenkungssteuer den Wert des Nießbrauchs maximieren. Hier besteht ein Potenzial zur Optimierung durch die Bestimmung von mehreren Berechtigten für den Nießbrauch.
Gestaltungsvarianten ermöglicht eine Bestellung des Nießbrauchs, der nur einen Berechtigten zur Zeit hat, auch wenn er gleichzeitig für mehrere Berechtigte bestellt wird. Dabei haben die beiden unterschiedlichen Gestaltungen auch abweichende Folgen in der steuerlichen Bewertung des Nießbrauchs.
Maximale Wertminderung der Schenkung durch nachrangigen Nießbrauch
Eine Möglichkeit ist ein nachrangiger Nießbrauch. Dabei ist das Ableben des vorrangigen Berechtigten keine aufschiebende Bedingung. Auch der nachrangige Nießbrauch existiert bereits von Beginn an. Die Geltendmachung der Ansprüche ist lediglich aufgrund des vorrangigen Berechtigten zunächst nicht möglich.
Das sofortige zivilrechtliche Bestehen des Nießbrauchs führt auch zur sofortigen steuerlichen Berücksichtigung. Es gilt insofern für die Bewertung das Gleiche wie beim Nießbrauch für Gesamtberechtigte. Der Kapitalwert des Nießbrauchs bestimmt sich durch Multiplikation vom Jahreswert mit dem höheren Faktor von vorrangig und nachrangig Berechtigten.
Ein besonderer Vorteil dieser Gestaltung liegt darin, dass auch für die nächste Generation bereits eine Berechtigung eingetragen wird. Aufgrund des vergleichsweise jungen Alters wirkt sich das enorm auf den Wert des Nießbrauchs aus. Diese Gestaltung kann bei Übertragungen von Großeltern auf ihre Enkel eine sehr vorteilreiche Gestaltung bedeuten.
Beispiel: Großvater G (80 J) überträgt Mietshaus an Enkel E (20 J). Vorrangiger Nießbrauch für G, nachrangiger für Mutter M (52 J).
Wert Mietshaus : 550.000 EUR ; Jahreswert Nießbrauch 25.000 EUR
Vervielfältiger G : 6,567 Vervielfältiger M : 15,429
Wert Nießbrauch: 25.000 EUR * 15,429 = 385.725 EUR
Im Beispiel konnte der Wert des Nießbrauchs durch die Einbeziehung der M als weitere Berechtigte mehr als verdoppelt werden. So bleibt der Erwerb aufgrund des erhöhten Werts des Nießbrauchs für den E schenkungssteuerfrei, da sein Freibetrag nunmehr ausreicht. Beim bloßen Nießbrauchs des G wäre eine erhebliche Schenkungssteuer angefallen. Durch mehrere Nießbrauchberechtigte kann daher bei richtiger Gestaltung eine erhebliche Steuerersparnis erreicht werden.
Sukzessiver Nießbrauch
Bei der Vereinbarung des sukzessiven Nießbrauchs ist im Unterschied dazu die Wirksamkeit des zweiten Nießbrauchs aufschiebend bedingt durch den Tod des ersten Berechtigten. Daher ist für die Bewertung auch zunächst nur der Vervielfältiger bezüglich des ersten Berechtigten relevant. Der sukzessive Nießbrauch des zweiten Berechtigten findet zunächst keine steuerliche Berücksichtigung.
Sobald der Fall des ersten Todes eintritt, bestehen verschiedene Handlungsmöglichkeiten, insbesondere kann rückwirkend der Abtrag zur nachträglichen Berücksichtigung für die Schenkungssteuer gem. (§ 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 BewG) gestellt werden. Damit kann nachträglich der Wert des Nießbrauchs noch erhöht werden. Alternativ kann darauf aber auch verzichtet werden, wenn hieraus an anderer Stelle steuerliche Vorteile entstehen, weil vom Verstorbenen noch andere Vermögensteile vererbt werden.
Diese Gestaltung führt daher zunächst zu keiner Werterhöhung des Nießbrauchwerts. Jedoch kann auch diese Gestaltung je nach Interessenlage hilfreich sein, um verschieden Vermögensverschiebungen innerhalb einer Familie steuerlich zu optimieren.
Praxistipp
Mehrere Berechtigte bei einem Nießbrauch führen unter Umständen zu einer abweichenden Bewertung des Kapitalwertes führen. Die Wahl der Gestaltung hat aber auch noch weitere Auswirkung. Dies reicht von nachträglichen Folgen für die Schenkungssteuer bis hin zur Möglichkeit der Abschreibung von Immobilien. Die Auswahl der korrekten Gestaltung bedarf daher stets der sorgsamen Abwägung im Einzelfall. Hierfür müssen alle Faktoren und Interessen ermittelt und berücksichtigt werden. Im Anschluss kann dann die günstigste Lösung für den individuellen Fall gefunden werden.
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