Wahrheitspflicht im Zeugnis

Inhaltliche Gestaltung des Arbeitszeugnisses

Wahrheitspflicht im Zeugnis

Neben zahlreichen formalen Hürden bereitet die inhaltliche Gestaltung eines Arbeitszeugnisses, auf das der Arbeitnehmer nach § 109 GewO bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch hat, dem Arbeitgeber oft erhebliche Schwierigkeiten. Er agiert im Spannungsfeld mitunter widersprüchlicher Interessen: des Arbeitnehmers an einer möglichst vorteilhaften sowie des zukünftigen Arbeitgebers an einer realitätsnahen Beurteilung. Entsprechend dieser Interessen muss das Zeugnis inhaltlich den Grundsätzen der Wahrheit, Vollständigkeit, Einheitlichkeit, aber auch des Wohlwollens genügen. Beim einfachen Zeugnis nach § 109 Abs. 1 S. 2 GewO sollte es dem Arbeitgeber noch ohne weiteres möglich sein, der Wahrheitspflicht zu genügen. Es enthält neben den notwendigen Angaben der Person des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers lediglich die Bestätigung von Dauer und Art der Beschäftigung. Größere Probleme stellen sich beim qualifizierten Zeugnis nach § 109 Abs. 1 S. 3 GewO, wenn nicht der Arbeitnehmer durch Ausübung des alleine ihm zustehenden Wahlrechts auf ein solches zugunsten eines einfachen Arbeitszeugnisses verzichtet. Bei diesem sind zusätzlich Angaben zu Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers zu machen. Zwar hat der Arbeitgeber bei der Abfassung des Zeugnisses einen eigenen Beurteilungs- und Sprachspielraum, der bei der Leistungs- und Führungsbeurteilung größer ausfällt als bei der Tätigkeitsbeschreibung und der Arbeitnehmer damit nach h.M. also keinen Anspruch auf einen genauen Zeugniswortlaut . Dieser Spielraum existiert aber nur in den Grenzen der genannten Pflichten und sollte zur Vermeidung von Prozess- und Haftungsrisiken tunlichst nicht verlassen werden. Die nachfolgende Betrachtung soll sich darauf beschränken, welche Tatsachen der Arbeitgeber im Zeugnis erwähnen oder unterlassen darf bzw. muss und welche Folgen die Nichtbeachtung haben kann.

Allgemeines zur Wahrheitspflicht

Zwar hat die Wahrheitspflicht Vorrang vor dem Grundsatz des Wohlwollens , dennoch darf nicht alles, was wahr ist, im Zeugnis stehen. Dem Arbeitnehmer soll durch das Zeugnis nicht die berufliche Zukunft verbaut werden. Andererseits muss das Wohlwollen dort seine Grenze finden, wo bei pflichtgemäßer Beurteilung des Sachverhaltes der Bereich der Wahrheit verlassen wird. Der Arbeitnehmer hat daher auch mit negativen Aussagen zu rechnen, die für sein Fortkommen nachteilig sein können . Das Zeugnis darf nichts Falsches enthalten, andererseits aber auch nichts auslassen, was der Zeugnisleser erwartet . Wortwahl und Satzstellung dürfen keine der Wahrheit nicht entsprechenden Vorstellungen entstehen lassen. Diese Allgemeinplätze lassen sich kaum konkretisieren, so dass der Blick auf die Kasuistik nicht erspart bleibt. Einige Faustregeln lassen sich dennoch aufstellen: Einmalige Umstände oder Vorfälle, die für den Arbeitnehmer nicht charakteristisch sind, seien sie vorteilhaft oder nachteilig für ihn, dürfen nicht aufgenommen oder verallgemeinert werden . Private Verhaltensweisen oder Umstände gehören ebenfalls nicht in das Zeugnis. Allenfalls grobe Anhaltspunkte liefert auch die Faustregel, dass alles, was in einem Bewerbungsgespräch nicht erfragt werden dürfte, auch nicht im Arbeitszeugnis auftauchen darf.

Die Tätigkeitsbeschreibung

Die Tätigkeitsbeschreibung ist Bestandteil des einfachen und des qualifizierten Zeugnisses. Sie darf nicht mit Bewertungen vermischt werden . Schon bei Ihrer Formulierung ist Sorgfalt an den Tag zu legen. Dies erfordert die Erwähnung der Stellung des Mitarbeiters in der betrieblichen Hierarchie (Unter-, Überstellung, Stellvertretung) sowie je nach Tätigkeit, Betriebszugehörigkeit und Leitungsbefugnissen eine detaillierte Aufzählung der von ihm wahrzunehmenden Aufgaben . Eine bloße Berufsbezeichnung genügt keinesfalls. Der Arbeitgeber kann sich an einer existierenden Stellenbeschreibung orientieren . Schließlich sind übertragene Vollmachten und Verantwortungsbereiche mit etwaigen (auch zeitlichen) Beschränkungen (z.B. Gesamtprokura) anzugeben. Fortbildungsmaßnahmen und besondere Qualifikationen des Arbeitnehmers sind zu erwähnen, soweit sie für die Tätigkeit von Bedeutung sind und nicht allzu lange zurückliegen. Unerwähnt bleiben dürfen hingegen Tätigkeiten des Arbeitnehmers, denen bei einer Bewerbung keinerlei Bedeutung zukommt. Bei Teilzeit-Arbeitnehmern ist der Umfang der vereinbarten Arbeitsleistung zu erwähnen.

Bestimmte Modalitäten des Arbeisverhältnisses

Bestimmte Ausgestaltungen und Modalitäten des Arbeitsverhältnisses mögen für einen künftigen Arbeitgeber interessant sein, dürfen dennoch nicht in das Zeugnis aufgenommen werden. Wettbewerbsabreden und Urheberrechte des Arbeitnehmers gehören beispielsweise nicht zum notwendigen Inhalt des Zeugnisses, weil sie mit Art der Beschäftigung, Führung und Leistung nicht im Zusammenhang stehen und sind daher außen vor zu lassen, wenn nicht der Arbeitnehmer ihre Aufnahme wünscht.
Das Gehalt des Arbeitnehmers muss unerwähnt bleiben, da es nicht mit der Art der Tätigkeit in Zusammenhang steht . Ob dies auch für die tarifliche Eingruppierung gilt, ist strittig . Nebentätigkeiten dürfen ebenfalls nicht erwähnt werden, unabhängig davon, ob sie erlaubt oder unbefugt ausgeübt wurden . Auch eine entsprechende Nebentätigkeitsgenehmigung muss somit unerwähnt bleiben. Ehrenamtliche Tätigkeiten können auf Wunsch des Arbeitnehmers dann aufgenommen werden, wenn sie innerhalb des Betriebs ausgeübt wurden (bspw. als Sanitäter, Feuerwehrmann, etc.) . Schwierigkeiten bereitet die Frage der Betriebsratszugehörigkeit. Diese muss, ebenso wie die Tätigkeit in der Jugendvertretung, als Vertrauensmann der Schwerbehinderten oder der Gewerkschaften , grundsätzlich unerwähnt bleiben, da sie mit der Arbeitsleistung selbst nichts zu tun hat . Strittig ist, ob eine Erwähnung auf Wunsch des Arbeitnehmers möglich ist .
Probleme ergeben sich aber bei der Erstellung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses, wenn der Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum nach § 38 BetrVG oder aus sonstigen Gründen freigestellt war und damit eine Bewertung seiner fachlichen Tätigkeit nahezu unmöglich wird. In diesem Fall dürfen Freistellung und Betriebsratszugehörigkeit ausnahmsweise erwähnt werden .
In einer davon teilweise abweichenden Entscheidung hatte das Hessische LAG einer Frau, die seit 5 Jahren Stationsleiterin in einem Krankenhaus, seit 4 ½ Jahren aber für den Personalrat freigestellt war und sich daneben regelmäßig fortbildete, ein qualifiziertes Zeugnis zugebilligt. Dieses enthielt nicht die Tatsache der Freistellung. Die Beurteilung stützte sich auf den Zeitraum vor der Freistellung und berücksichtigte die Teilnahme an den Fortbildungsveranstaltungen ergänzend. Der vom Gericht gebilligte Zeugnistext lautete „Sie ist Stationsleiterin“. Die Entscheidung wird in der Literatur zu recht als Verstoß gegen die Wahrheitspflicht angesehen , da das Zeugnis eine durchgängige Beschäftigung als Stationsleiterin suggeriert. Darüber hinaus sind jegliche Gerichtsauseinandersetzung und sonstige Auseinandersetzung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses um Arbeitszeugnisse, Abmahnungen und Gehaltsforderungen für das Zeugnis tabu .

Angaben zu den Beendigungsmodalitäten

Aus Gründen des Wohlwollens grundsätzlich unzulässig ist die Angabe der Beendigungsmodalitäten im Zeugnis . Dazu gehören die Beendigungsgründe, die Frage einer ordentlichen oder außerordentlichen Beendigung sowie Angaben dazu, vom wem die Beendigung ausging. Insbesondere die Offenlegung verhaltensbedingter Beendigungsgründe kann nämlich das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers beeinträchtigen. Bei außerordentlichen Kündigungen bietet das ungewöhnliche Beendigungsdatum ohnehin einen Hinweis auf die verhaltensbedingte Beendigung. Es ist notwendig aber auch ausreichend zur Erfüllung der Wahrheitspflicht. Eine Erwähnung der Kündigung selbst ist aus Gründen des Wohlwollens zu unterlassen. Andererseits wird angenommen, die Erwähnung des Beendigungsgrundes sei jedenfalls dann zulässig, wenn sie notwendig erscheine, um einem Dritten ein ordnungsgemäßes Gesamtbild vom Verhalten des Arbeitnehmers zu geben. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Arbeitnehmer ein Vertragsverhältnis unter Vertragsbruch löst und dies für sein Verhalten charakteristisch ist . Eine Erwähnung kann aus Gründen des Wohlwollens jedoch vom Arbeitnehmer verlangt werden und ist angezeigt bei einer einverständlichen Aufhebung des Arbeitsvertrages oder bei einem Ausscheiden auf Wunsch des Arbeitnehmers, erst recht, wenn wegen eines ungewöhnlichen Endtermins der Verdacht der außerordentlichen Kündigung oder des Vertragsbruchs nahe liegt . Dies kann auch der Fall sein, wenn es um die Darstellung der Hintergründe einer Druckkündigung geht . Nach einem im Kündigungsschutzprozess geschlossenen Vergleich kann der Arbeitnehmer eine Klausel im Zeugnis verlangen, die Auflösung sei „im beiderseitigen Einvernehmen“ erfolgt, ohne dass der Prozessvergleich erwähnt werden darf . Von sich aus darf der Arbeitgeber eine solche Klausel jedoch nicht aufnehmen (vgl. oben). Auch ein erfolgreicher Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 S. 1 KSchG darf nur auf Wunsch des Arbeitnehmers aus dem Zeugnis zu ersehen sein . Selbst das Beendigungsdatum im Zeugnis kann erhebliche Fragen aufwerfen, wenn es zu einem Kündigungsschutzprozess kommt. Bei Abstellen auf das Ende der ursprünglichen Kündigungsfrist bliebe eine zwischenzeitliche tatsächliche Beschäftigung unberücksichtigt, was von einer Ansicht mit Verweis auf deren Rechtsgrundlosigkeit akzeptiert wird. Andererseits könnte ein neuer Arbeitgeber dann erkennen, dass ein Kündigungsschutzprozess stattfand. Bei Abstellen auf den Zeitpunkt der Rechtskraft, die selten auf ein Monats- oder Quartalsende fallen wird, entstünde jedoch der Verdachte einer außerordentlichen Kündigung. Deshalb wird als Kompromiss zwischen Wahrheit und Wohlwollen vorgeschlagen, als Beendigungsdatum den letzten vor Rechtskraft gelegenen Kündigungstermin zu wählen. Eine Entscheidung des BAG hierzu liegt bisher nicht vor und bleibt mit Spannung abzuwarten.

Krankheiten, Schwangerschaft, sonstige Unterbrechungen der Tätigkeit

Krankheiten und allgemein der Gesundheitszustand – positiv wie negativ – gehören grundsätzlich genauso wenig in das Zeugnis wie damit zusammenhängende Fehlzeiten, jeweils unabhängig davon, ob sie einen Kündigungsgrund gebildet haben . Eine Schwerbehinderung darf nicht erwähnt werden, allenfalls auf Wunsch des Arbeitnehmers. Ansteckungsgefahren allein sollen keinen Grund liefern, Krankheiten im Zeugnis zu erwähnen. Hier seien die Regelungen des Bundesseuchengesetzes und des Arbeitsschutzrechts, die Einstellungsuntersuchung und diverse Offenbarungspflichten auch bei HIV-Infektion ausreichend und abschließend. Etwas anderes soll dann gelten, wenn sie für die Gesamtbeurteilung der Leistung und Führung von Bedeutung sind und die Krankheit das Arbeitsverhalten des Arbeitnehmers erheblich beeinflusst . Dies kann bei krankhaftem Alkohol- oder Drogenmissbrauch der Fall sein. Langfristige Fehlzeiten (auch aus anderen Gründen wie Gefängnisaufenthalt, Mutterschutz, Elternzeit, etc.) dürfen unter Umständen erwähnt werden, da der neue Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran haben kann, ob der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet und demnach praktische Erfahrungen gesammelt hat . Sie können und müssen deshalb im Zeugnis aufgenommen werden, wenn sie für die Gesamtbeurteilung von Bedeutung sind, was meist nicht mehr der Fall ist, wenn sie Jahre zurückliegen . Als Faustregel kann gelten, dass eine Erwähnung dann erfolgen muss, wenn die Zeit der Unterbrechung etwa die Hälfte der Beschäftigungszeit oder mehr ausmacht .

Leistung des Arbeitnehmers

Grundsätzlich gilt bei der Leistungsbeschreibung für den Arbeitgeber ein größerer Beurteilungsspielraum als bei der Tätigkeitsbeschreibung . Zur Bewertung hat sich eine fünfstufige Notenskala entwickelt , deren Grundsätze und Formulierungen den Rahmen dieser Ausführungen sprengen würden. Es soll hier nur die Erwähnung bestimmter Tatsachen im Zusammenhang mit der Leistung des Arbeitnehmers erläutert werden. Im Bereich der Leistung des Arbeitnehmers dürfen und müssen schwerwiegende Mängel wie das Nichtbestehen einer wichtigen Prüfung auftauchen . Das Bestehen der Abschlussprüfung gem. § 14 Abs. 2 BBIG muss auf jeden Fall im Zeugnis mitgeteilt werden, da sonst deren Nichtbestehen vermutet wird . Als bloße Auswirkung der Leistung des Arbeitnehmers auf das Unternehmen gehört der „wirtschaftliche Erfolg“, den das Unternehmen mit dem Arbeitnehmer erzielt hat, nicht zur Leistungsbeurteilung und damit auch nicht ins Zeugnis . Vorsicht hat hinsichtlich der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Arbeitsergebnisse zu walten, da bei Mitarbeitern in Forschung und Entwicklung oft der Sinn der Arbeit darin besteht, bestimmte Wege als nicht gangbar nachzuweisen und damit Fehlinvestitionen zu vermeiden. Erfindungen sind zu erwähnen, auch wenn sie vereinzelt geblieben sind.

Führung des Arbeitnehmers

Außen vor bleiben müssen jegliche Umstände und Verhaltensweisen außerhalb des Arbeitsverhältnisses, die dem privaten Bereich des Arbeitnehmers zuzuordnen sind, da § 109 Abs. 1 GewO vom „Verhalten im Arbeitsverhältnis“ spricht. Dies schließt ein, dass auch neutrale Formulierungen wie „Über sein außerdienstliches Verhalten ist uns nichts Nachteiliges bekannt“ nicht aufgenommen werden dürfen . Eine Ausnahme bilden nur Verhaltensweisen, die sich dienstlich ausgewirkt haben, beispielsweise das unbefugte Benutzen eines Dienstwagens in betrunkenem Zustand zu Privatfahrten. Soweit sie tatsächlich vorgelegen haben, müssen unbedingt solche Eigenschaften erwähnt werden, die im Zusammenhang mit der jeweiligen Position vom Verkehr erwartet werden . Andernfalls läge „beredtes Schweigens“ vor, welches Argwohn des unbefangenen Lesers hervorrufen müsste. Häufig genanntes Merkmal ist die Ehrlichkeit bei Angestellten mit Vertrauensstellung. Doch steckt auch hier die Tücke im Detail: Während beim Kassierer eines Geldinstituts ein entsprechender Ehrlichkeitshinweis üblich ist , soll dies beim Lehrling im Tankstellengewerbe nicht gelten . Vermerkt der Arbeitgeber im Zeugnis, der Arbeitnehmer sei „pünktlich“ gewesen, ist aus objektiver Sicht keine (versteckte) negative Aussage im Sinne von Überpünktlichkeit und muss daher nicht entfernt werden . Bloße Verdachtsmomente, Annahmen oder Behauptungen dürfen im Zeugnis nicht erwähnt werden, selbst dann, wenn ein Ermittlungs- oder Strafverfahren anhängig ist, da dieses eingestellt werden kann und die Möglichkeit des Zeugniswiderrufs besteht . Dies gilt auch, wenn sie Verdachtskündigung ausgelöst haben . Eine Ausnahme hat das BAG jedoch in einem Fall zugelassen, der ein (laufendes) Strafverfahren gegen einen Heimerzieher wegen sittlicher Verfehlungen zum Nachteil seiner Schützlinge betraf. Dies gilt verallgemeinert also bei Straftaten, die die persönliche Eignung für einen bestimmten Beruf wesentlich berühren . Im Übrigen dürfen Straftaten nur dann aufgenommen werden, wenn sie nachgewiesen sind durch (nicht notwendigerweise rechtskräftige) gerichtliche Entscheidung oder hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte, die allerdings ein Geständnis voraussetzen und mit dem Dienstverhältnis in Zusammenhang stehen . Dem Arbeitgeber soll dies jedoch verwehrt sein, wenn er zu ihnen angestiftet oder Beihilfe geleistet hat . Nach einer Ansicht wird eine Formulierung empfohlen, die die nachgewiesene Straftat nicht erwähnt, sondern einen allgemeinen Passus enthält, wonach das Führungsverhalten des Arbeitnehmers Grund zur Beanstandung gab. So sollen gesetzliche Tilgungs- und Löschungsbestimmungen aus dem BZRG nicht mit dem auf Jahre hin für Bewerbungen benötigten Zeugnisses unterlaufen werden . Dies ist als zu weitgehend abzulehnen. Sind zum Zeitpunkt der Zeugniserteilung jedoch die gesetzlichen Tilgungsfristen abgelaufen, was meist bei Straftaten geringeren Gewichts der Fall sein dürfte, sollte geprüft werden, ob ihre Erwähnung unerlässlich ist (vgl. dazu auch sogleich) Zur Vermeidung einer Schadensersatzpflicht ist aber dringend von Formulierungen Abstand zunehmen, die trotz erheblicher Verfehlungen eine Aufgabenerledigung „zur Zufriedenheit“ attestieren. Ist das Vertrauensverhältnis durch einen Tatverdacht gestört, kann der Arbeitnehmer auch keine Formulierung verlangen, wonach ihm „in jeder Hinsicht unser vollstes Vertrauen“ geschenkt werden könne. Pflichtverletzungen, die längere Zeit vor der Zeugniserteilung zurückliegen, dürfen nicht genannt oder angedeutet werden (sog. Amnestiegedanke), wobei eine Zeitspanne von drei bis fünf Jahren angemessen ist. Die Erwähnung einmaliger Vorfälle, die für das Verhalten des Arbeitnehmers nicht charakteristisch sind, hat zu unterbleiben .Überhaupt dürfen Verstöße grundsätzlich nur dann aufgenommen werden, wenn sie auch abgemahnt wurden. Die Tatsache der Abmahnung darf jedoch nicht erwähnt werden. Etwas anderes gilt hier nur bei schwerwiegenden Verfehlungen. Bei sonstigen Verstößen kommt es für die Beantwortung der Frage, welches negative Verhalten (in allgemeiner Form) Eingang in das Arbeitszeugnis finden soll, auch auf Häufigkeit und Schwere der Verletzungen von Ordnungsregeln an, insbesondere auf den Verschuldensgrad und die Wichtigkeit der Regel (z.B. Sicherheitsvorschriften). Die Vermögensverhältnisse des Arbeitnehmers sind dem Privatbereich zuzuordnen und damit tabu. Der Besitz des Führerscheins kann auf Verlangen des Arbeitnehmers erwähnt werden, sein Verlust darf nicht genannt werden.

Bindung des Arbeitgebers an den Zeugnisinhalt und Widerruf

Die Zeugniserteilung führt zu einer (Selbst-)Bindung des Arbeitgebers an dessen Inhalt. Er darf sich bei weiteren Rechtshandlungen nicht in Widerspruch zu den im Zeugnis getätigten Aussagen setzen. Dies gilt zunächst im Verhältnis von Zeugnissen untereinander, namentlich Zwischenzeugnissen. Beispielsweise muss die Bewertung eines bereits durch Zwischenzeugnis beurteilten Zeitraums im Endzeugnis sinngemäß, aber nicht wortwörtlich dieselbe sein. Auch kündigungs- und haftungsrechtlich ist der Zeugnisinhalt von Relevanz. Wegen widersprüchlichen Verhaltens werden im Kündigungsschutzprozess die Kündigungsgründe unbeachtlich, die im Zeugnis nicht zumindest andeutungsweise vermerkt sind, etwa bei einer außerordentlichen Kündigung wenige Tage nach Ausstellung eines ausnahmslos positiven Zeugnisses. Nach der Rechtsprechung des BAG kann ein vor Zeugniserteilung festgestellter Fehlbetrag wegen Treu und Glauben nicht mehr nach den Grundsätzen der Mankohaftung geltend gemacht werden, wenn die Ehrlichkeit und Gewissenhaftigkeit des Mitarbeiters zuvor vorbehaltlos bescheinigt wurde. Ob dies auch bei nachträglicher Zeugniserteilung gilt, ist fraglich. In der Literatur werden diese weitgehenden Auswirkungen teilweise abgelehnt , da das Zeugnis gerade eine generelle Aussage treffe und punktuelle Ereignisse wie beispielsweise Verfehlungen gegen Ende des Dienstverhältnisses außen vor blieben. Haftungs- und Kündigungsschutzrecht müssten jedoch ihren eigenen Regeln folgen.
Da das Arbeitszeugnis Wissens- und nicht Willenserklärung ist, kann es nach h.M. nicht nach den § 119ff. BGB angefochten werden. Allerdings kann der Arbeitgeber das Zeugnis widerrufen, wenn ihm nachträglich Tatsachen bekannt werden, die eine andere Beurteilung rechtfertigen würden und das Zeugnis bei rückschauender Betrachtung wesentliche Unrichtigkeiten enthält, die bei einer Einstellungsentscheidung eines neuen Arbeitgebers für diesen von ausschlaggebender Bedeutung sein können, sich der Irrtum also auf eine wesentliche Zeugnisgrundlage bezieht . Er kann dann Herausgabe des alten Zeugnisses Zug um Zug gegen Erteilung eines neuen Zeugnisses verlangen . Liegt kein Irrtum, sondern ein Gefälligkeitszeugnis vor, soll dies trotz der Haftungsfolgen nur möglich sein, wenn der Zeugnisgebrauch gegen die guten Sitten verstoßen würde .

Fazit

Hauptproblem bei der Frage, welche Angaben ein Zeugnis beinhalten darf, ist die Unmöglichkeit einer klaren Grenzziehung in vielen Bereichen. Die Schwierigkeit besteht in der Beachtung von Wertungsgesichtspunkten, beispielsweise bei der Frage, ob eine Angabe notwendig ist, um den Gesamteindruck vom Arbeitnehmer treffend darzustellen oder ob es sich um wesentliche oder unwesentliche Verfehlungen handelt. Mit Hinweis auf eine drohende Haftung und den grundsätzlichen Vorrang der Wahrheitspflicht sollte es jedoch möglich sein, negative Aspekte eines Arbeitsverhältnisses in schonender Form ins Zeugnis einfließen zu lassen und damit einer Haftung zu entgehen. Die kooperative Einbindung des Arbeitnehmers, wie sie von der Praxis gepflegt wird, ist sicherlich ein kostengünstiger Weg, Konflikte zu vermeiden. Wenn es um wesentliche Grundlagen des Zeugnisses geht, ist wegen der drohenden Haftung jedoch kein Raum für den „goldenen Händedruck“ in Form eines Gefälligkeitszeugnisses, sondern unter Schonung in der Form die Mitteilung auch unangenehmer Wahrheiten angebracht.

(c) Jörg Steinbock, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Würzburg

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